Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2025

planet-vienna.com, der musikverein in wien, austragungsort des traditionellen neujahrskonzertes der wiener philharmoniker
Der Musikverein

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Am 1. Jänner 2025 läuten die Wiener Philharmoniker mit ihrem traditionellen Neujahrskonzert ein für die Wiener wie auch europäische Musikgeschichte besonderes Jahr ein: Der Geburtstag des Walzerkönigs Johann Strauss Sohn jährt sich zum 200. Mal. Überraschenderweise fällt die zu erwartende Gewichtung recht nüchtern aus. Zwar stehen insgesamt neun Schani-Nummern auf dem Programm, davon jedoch hauptsächlich Reprisen und altbekannte „Gassenhauer“, also kaum etwas, das den grossen Wiener Komponisten in einem erweiterten Licht zeigen würde. Novitäten gibt es gerade mal zwei. Angesichts der Tatsache, dass es aufgrund des Jubiläumsjahres ein Konzert mit besonderer Konnotation ist, erweist sich die Programmwahl als fantasielos, herkömmlich und schmerzlich uninspiriert.

Die nennenswerteste Besonderheit an diesem Programm: Erstmals in der Geschichte des Neujahrskonzerts wird das Werk einer Komponistin gespielt – ein Walzer von Constanze Geiger. Es ist wohl als kleiner Beitrag der Philharmoniker an die Gleichstellungsbewegung zu verstehen. Der immer lauter werdende Ruf von vielen Seiten, dass ein Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker endlich von einer Frau dirigiert werden soll, scheint weiterhin kaum gehört zu verhallen.

planet-vienna, johann strauss denkmal im wiener stadtpark
Strauss-Denkmal im Stadtpark

Dirigiert wird das Strauss-Jubiläums-Neujahrskonzert im Wiener Musikverein von keinem geringeren als dem 83-jährigen Riccardo Muti. Der aus Neapel stammende, heute in Ravenna lebende Muti ist einer der renommiertesten Dirigenten der Gegenwart mit einem enormen Leistungsausweis. Im Alter von 30 Jahren hat er erstmals mit den Wiener Philharmonikern zusammengearbeitet und mit ihnen seither über 500 Konzerte gegeben. Davon dirigierte es bislang bereits sechsmal das Neujahrskonzert, nun steht am 1. Jänner 2025 sein siebtes an.

Museum und Hotel als Ort der Tanzeinlagen

Wieder wird es zwei Tanzeinlagen mit dem Wiener Staatsballett geben, die filmlisch eingeblendet werden und bereits im Verlauf der Sommermonate enstanden sind – diesmal unter der Leitung der britischen Choreografin Cathy Marston. Eingekleidet worden sind die Tänzerinnen und Tänzer vom anglo-irischen Opernregisseur und Designer Patrick Kinmonth. Sie beide geben hiermit ihr Neujahrskonzert-Debüt. Getanzt wurde respektive wird diesmal zur Polka „Entweder oder“ op. 403 aus der Operette „Der lustige Krieg“ und zum Walzer „Accelerationen“ op. 234, beides von Johann Strauss Sohn. Als Drehorte dienten für den Walzer das ehemalige Südbahnhotel am Semmering und für die Polka das Technische Museum in Wien, wobei im Falle von letzterem die 1936 erbaute Lokomotive 12.10 als eines der beeindruckendsten Exponate im Mittelpunkt der Choreografie steht.

1. Johann Strauss Vater – Freiheits-Marsch; op. 226

Eine nicht sehr spektakuläre Eröffnung des Konzerts: Dieser Marsch von Vater Strauss ist eher einfach und wenig aufregend. Er war 2015 bereits im Programm und eher unter „ferner liefen“ einzuordnen. Als fulminanter Auftakt eher unpassend. Die Komposition – ein Spätwerk – ist vermutlich im Zusammenhang mit den Revolutionswirren um 1848 entstanden.

2. Josef Strauss – Dorfschwalben aus Österreich; Walzer, op. 164

Ebenfalls 2015 zum letzten Mal an einem Neujahrskonzert gespielt, ist dieser sehr bekannte und wahrhaft bezaubernde Walzer von Josef Strauss eine berechtigte Wahl. Dennoch fragt man sich an dieser Stelle: Warum zwei Reprisen von 2015 in ein- und demselben Programm? Und dann gleich zu Beginn aufeinanderfolgend? Näheres zu den „Dorfschwalben“ ist hier nachzulesen.

3. Johann Strauss Sohn – Demolierer-Polka; op. 269

Diese reizende Polka ist wohl als vertonte Reminiszenz an die Bauwut der Stadt Wien zu verstehen, die sich in diesem Jahren in einem enormen, beim Volk mitunter umstrittenen Umbruch befand. Der junge Franz Joseph hatte die Schleifung der Basteien und die Anlegung der Ringstrasse angeordnet. am 22. November 1862 präsentierte Johann Strauss seine „Dmolirer-Polka“ zum ersten Mal der Öffentlichkeit im „Sperl“ in der Leopoldstadt.

4. Johann Strauss Sohn – Lagunen-Walzer; op. 411

„Ach, wie so herrlich zu schau’n…“ – das bekannte Melodienpotpourri aus Strauss‘ Operette „Eine Nacht in Venedig„. Hier hätte sich eine Novität gut gemacht anstelle dieser vielgespielten Nummer. Mehr zu Opus 411 ist hier nachzulesen.

5. Eduard Strauss – Luftig und duftig; Polka, op. 206

Eduard Strauss ist zwar jedes Mal irgendwie ein bisschen dabei, aber noch immer hat keiner der Programmverantwortlichen den musikalischen Wert seiner Konzertwalzer erkannt, sondern „würdigt“ ihn minimal mit einer kurzen Schnellpolka. Opus 206 erschien im Juli 1882 beim Verlag Anton Spina. Die Polka war zum ersten Mal auf dem Programm eines von Eduard geleiteten Konzerts im Badener Stadtpark am 26. August 1882.

–– PAUSE ––

6. Johann Strauss Sohn – Der Zigeunerbaron; Ouvertüre

Auch die zweite Konzerthälfte startet nicht besonders einfallsreich: 2019 stand die Zigeunerbaron-Ouvertüre an genau dieser Stelle im Programm. Darum sei die Beschreibung dieses Werks von damals hier wörtlich übernommen: „Mit slawisch anmutenden Takten gehts in den zweiten Teil: Das Eröffnungsstück von Strauss‘ dritterfolgreichster Operette ist ein vielschichtiges, dynamisches Meisterwerk mit viel Feuer – v.a. in der zweiten Hälfte – und ebenso ruhigen wie beschwingten Motiven, die Wohlbekanntes zitieren. Die Operette wurde im Oktober 1885 im Theater an der Wien uraufgeführt.“

7. Johann Strauss Sohn – Accelerationen; Walzer op.234

Alle drei Strauss-Brüder zeigten grosses Interesse an den technischen Errungenschaften und Erkenntnissen ihrer Zeit. So manche Aspekte daraus haben sie in ihre Kompositionen einfliessen lassen. Der Walzer „Accelerationen“ ist ein anschauliches Beispiel für diese Gepflogenheiten. Der physikalische Begriff „Akzeleration“ bedeutet in etwa so viel wie Beschleunigung. Entsprechend tonmalerisch hat Strauss den Walzer arrangiert: schneller werdend im Hauptmotiv und dann wieder rallentierend in späteren Partien – alles fein aufeinander abgestimmt. Eine Anekdote erzählt, dass Strauss die Idee zu diesem Walzer spontan auf der Rückseite einer Speisekarte notiert haben soll. Der Komponist selbst hat dies nie bestätigt, aber auch nicht abgestritten. Den Walzer hat Strauss für den Technikerball am 14. Februar in den Sofiensälen geschrieben. Er ist kreativ angelegt mit eingängigen Melodienfolgen.

8. Joseph Hellmesberger Sohn – Fidele Brüder; Marsch aus der Operette „Das Veilchenmädel“

Es bleibt auch heuer der Frage: Warum nur haben die Hellmesbergers seit Jahren einen „Dauerplatz“ im Programm der Neujahrskonzerte? Ja, sie waren versierte, sehr einfallsreiche Komponisten. Doch gäbe es nun wirklich genug ebenbürtige Zeitgenossen (Ziehrer, Lanner, Fahrbach, Komzák…), die eine Präsenz in diesem Rahmen verdienen. Aber sei’s drum: Die Operette „Das Veilchenmädel“ (alternativ „Veilchenmädchen“) mit einem Libretto von Leopold Krenn und Carl Lindau wurde am 27. Februar 1904 im Carltheater mit riesigem Erfolg uraufgeführt – mit 63 Vorstellungen ensuite. Der Marsch „Fidele Brüder“ ist ein Potpourri einst bekannter Motive aus dieser heute weitgehend vergessenen Operette. Sein Titel bezieht sich auf drei wandernde Gesellen, die in der Handlung eine Rolle spielen.

9. Constanze Geiger – Ferdinandus-Walzer; op. 10

Es ist die Neuerung schlechthin im diesjährigen Programm: Erstmals überhaupt wird das Werk einer Komponistin aufgeführt – ein deutliches, wenn auch lange überfälliges Zeichen im Kontext mit der Gleichstellung der Frau. Unter den Wiener Tonkünstlern im 19. Jahrhundert gab es mehrere Frauen, die in Sachen Talent ihren männlichen Genossen kaum nachstanden. Neben Henriette Fahrbach oder Josephine Weinlich hatte sich insbesondere Constanze Geiger hervorgetan, die zudem einen engen Draht zur Strauss-Familie pflegte. Ihren Ferdinandus-Walzer präsentierte Geiger im Frühjahr 1849 zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Möglicherweise eine Reminiszenz an Kaiser Ferdinand I., der im Jahr zuvor die Regentschaft an seinen Neffen Franz Joseph übergeben hatte? Geigers Pianopartitur ist von Wolfgang Dörner für dieses Konzert orchestriert worden.

10. Johann Strauss Sohn – Entweder oder!; Polka, op. 403

Eine reizende kleine Polka aus der Operette „Der lustige Krieg“. Die Hintergründe zum Titel sind nicht verlässlich überliefert. Gewisse Melodienfolgen sind Violettas Lied „Es war ein lustig‘ Abenteuer“ entlehnt. Die Polka ist schlicht arrangiert und wenig bekannt. Uraufgeführt wurde sie am 14. Februar 1882 anlässlich des Faschingballs der Journalistenvereinigung Concordia in den Sofiensälen. Geleitet hatte das Konzert Eduard Strauss. Die Polka war 2012 bereits im Programm.

11. Josef Strauss – Transactionen; Walzer op. 184

Von all den bezaubernden sinfonisch arrangierten Walzern von Josef Strauss fällt hier die Wahl ausgerechnet auf ein weiteres „Rezyklat“ aus dem Programm von 2019. Unverständlich. Gewiss tut dies der Schönheit dieses Walzers keinen Abbruch. Die Beschreibung von Opus 184 gibt es hier. Er wird offenbar anlässlich 30 Jahre EU-Mitgliedschaft von Österreich gespielt.

12. Johann Strauss Sohn – Annen-Polka, op. 117

Die Fantasielosigkeit hat in diesem Programm wahrhaftig Bestand. Über diese (zu) viel gepielte Polka kann ebenfalls im Programm von 2015 nachgelesen werden.

13. Johann Strauss Sohn – Tritsch-Tratsch; Polka op. 214

Dies ist ebenfalls eine der bekanntesten Polkas überhaupt und insofern absolut unkreativ, als sie – genau wie die vorige Nummer – zum x-ten Male im Programm ist. Die Hintergrundgeschichte jedoch ist und bleibt amüsant: Als Johann Strauss 1858 in Russland weilte, machten in Wien allerhand Gerüchte und Erzählungen die Runde. Man munkelte, Strauss hätte wohl Affären in Russland, sei dort verlobt oder gar verheiratet. All das Gerede wurde in der humoristischen Zeitschrift „Tritsch-Tratsch“ veröffentlicht. Strauss machte sich mit dieser Polka über das abenteuerliche Gequatsche der Wienerinnen und Wiener lustig. Die Uraufführung erfolgte am 24. November 1858 im Grossen Zeisig unterhalb von St. Ulrich am Spittelberg. Der Grosse Zeisig war damals eines der populärsten Tanz-Gasthäuser Wiens.

14. Johann Strauss Sohn – Wein, Weib und Gesang; Walzer op. 333

Das Programm bleibt sich bis zum Schluss treu: kaum nennenswerte Novitäten oder Überraschungen. Mit Opus 333, eine der meisterhaftesten Kompositionen des Walzerkönigs, verklingt der offizielle Teil des Wiener Neujahrskonzerte 2025. Mehr zu Wein, Weib und Gesang kann hier gelesen werden.

–––– Ende des offiziellen Programms ––––

Es folgen die traditionellen Zugaben An der schönen, blauen Donau, Walzer op. 314, von Johann Strauss Sohn und der Radetzky-Marsch, op. 228, von Johann Strauss Vater.


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10 Gedanken zu „Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2025“

  1. Das offizielle Programm ist heute erschienen. Was Sie veröffentlicht haben, ist eine Hypothese, die ein Freund aus einer Facebook-Gruppe aufgestellt, aber vollständig von ihm erfunden hat! Leider war seins besser als das offizielle! Ich freue mich wie immer auf Ihren interessanten Beitrag!

  2. Ich bin der Meinung, dass die Philharmoniker und Riccardo Muti eine große Möglichkeit vergeben haben, mit neuen und unbekannten Stücken das 200. Jubiläum des Geburtstags von Johann Strauß Sohn zu würdigen. Das Programm ist das enttäuschendste der letzten Jahre, keine Novitäten immer dieselben Werke, die vor wenigen Jahren schon gespielt worden waren. Ich erwartete ein historisches Programm und bin sehr enttäuscht. Doch die Strauß Dynastie existiert für die Philharmoniker nur drei Tage im Jahr, damit die Reichen Japaner und aus aller Welt sich darüber freuen, im Goldener Saal des Musikvereins dabei zu sein. Es ist ganz unverständlich, dass die Wiener Philharmoniker in diesem bemerkenswerten Jahr lediglich ein Konzert an Johann Strauß widmet. So werden wir aufs Jahr 2026 warten müssen…

  3. Vielen Dank für Ihre stets interessanten und wertvollen Kommentare! Leider ist das diesjährige Programm eine große verpasste Chance; Das Neujharskonzert ist die einzige Gelegenheit im Jahr, hochkarätige Interpretationen Wiener Musik zu hören. Das 200. Jubiläum von Johann Strauss musste durch die Wiederherstellung vergessener Werke stärker hervorgehoben werden … schade

  4. Aus einer Indiskretion des chinesischen Fernsehens CCTV geht hervor, dass die erste Zugabe „Die Bajadere“ Polka schnell op. 351 ist … meine Enttäuschung ist vollkommen!

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