Die Wiener Palais

planet-vienna, das gartenpalais liechtenstein in wien

Wien ist die Stadt der so genannten Palais. Der Begriff steht für einen unbefestigten Adelswohnsitz, welcher sich grundsätzlich immer in einer Stadt befindet. Der Grund für die Ansammlung mehrerer Palais in einer Stadt ist meist das Vorhandensein eines Herrschersitzes, denn all die Adelsfamilien, welche im Dienste der herrschenden Instanz stehen, leben in derselben Stadt. Diesen Adelsherrschaften war es wichtig, ihr Geschlecht zu repräsentieren, und so entstanden prächtige Paläste. Besonders in Wien versprachen sich die Adelsfamilien aus allen Teilen Europas in einer politisch wichtigen Stadt wie Wien ein Weiterkommen und einen gesellschaftlichen Aufstieg.

Die ersten Palais in Wien entstanden im 16. Jahrhundert im damaligen Herrenviertel rund um die Minoritenkirche. Auch ausserhalb der Stadtmauer wurden einige Palais errichtet, welche in den Türkenkriegen jedoch zerstört wurden. Als die Türken sich schliesslich geschlagen gaben und aus Europa abzogen, begann man in Wien, zahlreiche Palais zu bauen. Die Stadt veränderte sich in kurzer Zeit sehr stark, und da es verboten war, die damalige Stadtmauer und das Glacis zu verbauen, entstand auf engstem Raum eine riesige Ansammlung von repräsentativen Barockpalästen. Wollte ein Adliger sich ein Denkmal setzen und ein Palais errichten, so musste er dafür mehrere Bürgerhäuser kaufen und abreissen lassen, um Platz zu schaffen. So verringerte sich die Anzahl Bürgerhäuser, während diejenige der Palais sich häuft. Um 1730 bestanden in Wien sage und schreibe bereits 248 Adelspaläste, und die Zahl der Bürgerhäuser betrug nur noch 930. Dieser enorme Platzmangel ging soweit, dass man grosse Sakrale Gebäude wie die Karlskirche oder die Piaristenkirche ausserhalb der Stadtmauer erbauen musste.

Bei der Planung der Wiener Barockpalais nahm man sich die Palazzi in Rom zum Vorbild. Naheliegend also, dass man für einige Palais die renommiertesten italienischen Baumeister nach Wien kommen liess. Der Bau ging meist sehr schnell vonstatten, und so waren nicht wenige Paläste innerhalb von zwei Jahren erbaut. Die Innenausstattung hingegen konnte sich schon mal über ein Dezennium hinweg ziehen, da die besten und berühmtesten Künstler oft über Jahre ausgelastet waren.

planet-vienna, das stadtpalais der prinzen eugen in wien

Der Aufbau der (Stadt-)Palais folgte in den meisten Fällen demselben Muster. Die Frontseite ist stets direkt gegen die Strasse gerichtet. Der Hof befindet sich hinter dem Haupttrakt und ist mit einer gewölbten Durchfahrt mit der Strasse verbunden. Von dieser Durchfahrt aus führt jeweils beidseits oder zumindest auf einer Seite eine meist prachtvolle Treppe hoch zur Beletage. Die Fassade und vor allem das Hauptportal waren die beiden wichtigsten Elemente für Repräsentation. So wurde alles reichst verziert und geschmückt mit Elementen wie Figuren, Säulen, Karyatiden und Ornamenten. Die wichtigsten Prunkräume befinden sich auf der Beletage, welche in den meisten Fällen überdurchschnittlich hoch liegt. Auf den darüber liegenden Etagen hat man die Wohnräume eingerichtet, während das Personal oft in den Kellergeschossen oder in einem Nebentrakt wohnte.

Als am Ende des 17. Jahrhundert die Wiener Vororte weitgehend zerstört waren und die Bevölkerung massiv reduziert worden war, konnte man Grundstücke zu einem sehr niedrigen Preis erwerben. So kauften viele Adlige grosse Flächen und liessen daraus Gärten bauen. Die Ära der Gartenpalais brach an. Auch jetzt entstand in wenigen Jahren eine grosse Anzahl solcher barocken Gartenpalais rund um Wien, und die Metropole wurde zur grössten Gartenstadt Europas. Man orientierte sich dabei an der Anlage von Versailles, wo alles streng symmetrisch angeordnet ist und den Eindruck einer von Menschenhand gebändigten Natur vermittelt. Kein Busch, der nicht mit Schere in Form gebracht war; nichts wurde dem wilden Wuchs überlassen. Auch Wasser war ein wichtiges Element eines Barockgartens, so gehörten Wasserfälle, Kaskaden und Springbrunnen dazu.

Antiquarium, Kunsthandel, Online-Galerie, Kunst aus vergangenen Jahrhunderten
(Partnerseite von Planet-Vienna)

Das Gartenpalais selbst hat grundsätzlich als wichtigster Bestandteil einen runden Festsaal, welcher nicht selten mit einer Kuppel versehen ist. Das schnelle Wachstum Wiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert liess die Bodenpreise in Stadtnähe in die Höhe schiessen, und so verkauften viele Adlige weite Teile ihrer Grundstücke, was dazu führte, dass viele Gartenanlagen verbaut wurden und nur noch das Palais übrig blieb. Etwa zur gleichen Zeit erlebte die gesellschaftliche Situation einen deutlichen Wandel, indem die Wirtschaft sich auf das Bürgertum niederschlug. Etliche Palais mussten wirtschaftlichen Institutionen wie Banken oder Mietobjekten weichen und wurden demzufolge abgerissen. Dennoch entstanden neue Palais, welche vorwiegend an der neu entstandenen Ringstrasse gebaut wurden. Diese wurden hauptsächlich im Stil des Neobarocks und der Neorenaissance erbaut. Die bedeutendsten Architekten waren hier Heinrich Ferstel und Theophil Hansen.

Die Ära der Palais ging mit dem Ersten Weltkrieg zu ende. Bereits in der Nachkriegszeit fielen einige Paläste der Zerstörung zum Opfer. Besonders destruktiv war der Zweite Weltkrieg. Massenhaft Bausubstanz wurde zunichte gemacht im Bombenhagel und in den Gefechten. Als der Krieg vorüber war, hatte man grössere Sorgen als die Rettung der oft stark beschädigten Palais. So wurden einige Adelshäuser niedergerissen, obwohl sie noch zu retten gewesen wären. Heute ist nur noch ein geringer Bruchteil von der vergangenen Pracht vorhanden; dieser reicht jedoch aus, um Wien neben Rom, Paris und Prag zu denjenigen Städten zählen zu können, die den Glanz von einst am besten haben bewahren können. Die meisten Palais dienen heute als kulturelle oder wirtschaftliche Einrichtungen und beherbergen Banken, politische oder wirtschaftliche Institutionen.


1. Bezirk


2. Bezirk


3. Bezirk


4. Bezirk


6. Bezirk


7. Bezirk


8. Bezirk


9. Bezirk


14. Bezirk


16. Bezirk


17. Bezirk


Nicht mehr existente Palais