Ferdinand I. (1793-1875)

Kaiser

planet-vienna, kaiser ferdinand I., der gütige, gütinand der fertige

Am 19. April 1793 wurde Ferdinand Karl Leopold Joseph Franz Marcellin als ältester Sohn von Kaiser Franz II. und Maria Theresia von Sizilien in Wien geboren. Schon in seiner Kindheit war Ferdinand von zarter und schwächlicher Statur, weshalb ihm nicht die Art Erziehung zuteil wurde, die am Hof normalerweise für einen zukünftigen Kaiser vorgesehen war. Ferdinand verfolgte lieber andere Interessen als Staatsangelegenheiten, erst ab 1829 mischte er in der Politik mit. Doch auch dann wurden ihm – abgesehen von einigen Unterschriftsberechtigungen in bestimmten Belangen – keine weiterreichenden Befugnisse übertragen. Nach seiner Krönung zum König von Ungarn am 28. September 1830 in Pressburg erhielt er von den ungarischen Ständen als traditionelles Ehrengeschenk 50’000 Dukaten, die er sogleich zugunsten bedürftiger ungarischer Gemeinden spendete.

planet-vienna, kaiser ferdinand I., der gütige, gütinand der fertige, bei seiner krönung

Im Jahre 1831 heiratete Ferdinand Maria Anna von Savoyen, eine hochgewachsene Frau, die als schön, graziös und anmutig beschrieben wird. Vier Jahre später verstarb sein Vater Franz II., Ferdinand folgte nach. Während der Märzrevolution 1848 musste er vorübergehend nach Innsbruck fliehen. Nach seiner Rückkehr nach Wien war er aufgrund der einsetzenden Oktoberrevolution zur erneuten Flucht gezwungen, diesmal nach Olmütz. Dort trat er am 2. Dezember 1848 als Regent zurück und übergab die Herrschaft seinem Neffen Franz Joseph. Dennoch übernahm Ferdinand eigenhändig die Verwaltung Böhmens und zeigte nu erstaunliches Geschickt: Dank klugen Wirtschaftens trug er massgeblich zur Vermehrung der Staatseinnahmen bei. Damit legte Ferdinand den Grundstein für das spätere Vermögen seines Neffen Franz Joseph. Am 29. Juni 1875 verstarb Ferdinand in Prag.

planet-vienna, kaiser ferdinand I., der gütige, gütinand der fertige, Eine der seltenen Photographien von Ferdinand I.

Ferdinand war ein Beispiel dafür, was eine über Generationen hinweg praktizierte Heiratspolitik innerhalb der eigenen Familie für Folgen haben kann. Er war von kleiner Statur, von aussergewöhnlich schwächlicher und kränklicher Erscheinung. Sein Gesichtsausdruck galt als einfältig, und seine Körperhaltung entsprach der eines Menschen, den man heute als behindert bezeichnen würde. Ferdinand war zeugungsunfähig und galt in den Augen vieler als schwachsinnig und unfähig zu regieren, weshalb eine Kabinettsregierung (Staatskonferenz) eingerichtet werden musste. Dieser gehörten sein Bruder Franz Karl, lemens Wenzel Lothar Fürst Metternich, Franz-Anton Graf Kolowrat-Liebensteinsky und Erzherzog Ludwig an.

Schwachsinnig – so, wie es heute definiert wird – war Ferdinand allerdings nicht. Er zeigte ein lebhaftes Interesse an wissenschaftlichen Themen, beherrschte fünf Sprachen und spielte zwei Musikinstrumente. Zudem war er ein geübter Reiter, Fechter und Schütze. Von Natur aus hatte er ein sanftes, gütiges und wohlwollendes Wesen, was sich nicht zuletzt in seinen grosszügigen Spenden zugunsten Bedürftiger niederschlug.

planet-vienna, kaiser ferdinand I., der gütige, gütinand der fertige, Ferdinand mit seiner Frau Maria Anna von Savoyen
Ferdinand mit seiner Frau Maria Anna von Savoyen

Ferner soll er zeitlebens kein einziges Todesurteil unterzeichnet haben. Selbst Hauptmann Franz Reindl, der am 9. August 1832 in Baden bei Wien ein erfolgloses Attentat auf Ferdinand verübt hatte, wurde von ihm begnadigt – nicht nur das: Ferdinand unterstützte die Familie des Attentäters finanziell, während Reindl seine Strafe im Gefängnis absass. Ein weiteres mal zeigte Ferdinand grosse Milde, als im Januar 1837 ein 22-jähriger Mann wegen Mordes an der Dienstherrin seiner Schwester hingerichtet werden sollte. Die Frau hatte seine Schwester häufig misshandelt. Ferdinand unterschrieb das Todesurteil für den Mann nicht, liess die Strafe gar deutlich mildern. Er untersagte zudem jegliche Brutalität gegenüber Gefangenen, ordnete an, sie nicht in Ketten zu legen, und sprach sich gegen jede Art von Misshandlung aus.

planet-vienna, kaiser ferdinand I., der gütige, gütinand der fertige, Der Sarg Ferdinands in der Kaisergruft
Der Sarg Ferdinands in der Kaisergruft

Diese sehr sozialen, humanen Eigenschaften brachten Ferdinand in der Bevölkerung den Übernamen „Ferdinand der Gütige“ ein. Zuweilen wurde dieser Titel in den Spottnamen „Gütinand der Fertige“ abgewandelt, auch als „der g’schupfte Ferdl“ oder „Kretin“ wurde er belächelt. Seine Eigenheiten und Marotten führten immer wieder zu Heiterkeit, so ist unter anderem seine Aussage „Ich bin der Kaiser, ich will Knödel!“, in die Geschichtsschreibung eingegangen. Und als er zu Beginn der Märzrevolution mit Fürst Metternich am Fenster stand und das aufgebrachte Volk draussen sah, soll folgender Dialog stattgefunden haben:

Ferdinand: „Was moch’n denn all die viel’n Leut’ da? Die san so laut.“
Metternich: „Die machen eine Revolution, Majestät.“
Ferdinand: „Ja, dürfen’s denn des?“

Und im Hinblick der zahlreichen Fehlgriffe und Missgeschicke seines Nachfolgers Franz Joseph soll Ferdinand jeweils gesagt haben: „Des hätt’ i a no z’sammbracht.“