Das Wiener Musikschaffen des 19. Jahrhunderts war fast ausschliesslich von Männern geprägt. Frauen fanden vielmehr in der darstellenden Kunst ihre Rollen – als Tänzerinnen, Sängerinnen oder Schauspielerinnen. Komponistinnen, die auch eine breitere öffentliche Wahrnehmung und Anerkennung erlangten, existierten nur sehr wenige und sind heute so gut wie vergessen.
Zu ihnen zählt die am 22. Januar 1851 geborene Henriette Fahrbach. Sie entsprang einer durch und durch musikalischen Familie. Ihr Vater Joseph war angesehener Komponist, Flötist, Kapellmeister und Leiter einer eigenen Musikschule. Ihr Onkel Philipp Fahrbach war ebenfalls Komponist und ein bekannter Kapellmeister unter anderem bei den Hoch- und Deutschmeistern. Auch ihre drei Geschwister verdienten ihren Lebensunterhalt mit Musik: Josefine hauptsächlich als Pianistin, Wilhelm als Theaterkomponist und Johanna als Sängerin.
Vater Joseph Fahrbach unterrichtete die schon früh mit hoher Begabung auffallende Henriette «Jetti» persönlich und mit grossem Ehrgeiz, sie lernte Flöte, Klavier und widmete sich dem Komponieren. Da die Fahrbachs eine kinderreiche Familie waren, musste der Nachwuchs bereits in Jugendjahren zum Erhalt beitragen. Henriette arbeitete tagsüber als Näherin, widmete jedoch jede freie Minute der Musik und war zunächst vor allem als Flötistin aktiv und wirkte in Ensembles mit.
Henriette Fahrbach veröffentlichte 1873 ihre ersten Eigenkompositionen – drei Lieder und ein Idyll für Klavier. Es folgten weitere Werke und in der zweiten Hälfte der 1870er-Jahren eine Operette mit drei Akten: «Prinz Julian’s Abenteuer», das Libretto stammte von Fritz Blum. Eine offizielle Aufführung dürfte wohl nicht stattgefunden haben, Zeitungsberichten zufolge sollen jedoch Exzerpte im Rahmen privater Veranstaltungen im Stadttheater von Brünn und am Theater an der Wien vorgetragen worden sein.
Mit der eigenen Damenkapelle auf Tournee
Obschon Henriette Fahrbachs Lieder an mehreren Soiréen und Konzerten in kleinerem Rahmen offenbar regen Beifall erhielten, hätte sie sich als Komponistin nicht über Wasser halten können. Sie verdiente ihr Geld als Gesangs-, Flöten- und Klavierlehrerin. Sie rief eine Damenkapelle ins Leben, in der sie selbst die Klavier- und Flötenparts übernahm. Presseberichte lassen auf eine Reihe erfolgreicher Auftritte in- und ausserhalb Wiens schliessen, so dass Henriette Fahrbach finanziell in der Lage war, ihre Kapelle aufzurüsten und den Auftrittsradius auszuweiten: Mit ihren mittlerweile 16 Musikerinnen reiste Jetti Fahrbach in mehrere Länder Europas bis nach Skandinavien.
1894 ehelichte Henriette Fahrbach den Kapellmeister Franz Ehmki, den sie in Hamburg, wo sie mit ihrer Kapelle mehrfach aufgetrat, kennengelernt hatte. Nun verbrachte die Wienerin die meiste Zeit in Deutschland, kehrte ab 1899 jedoch wieder öfter nach Wien zurück. 1902 siedelte sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Wien um. Ab 1907 betrieben die Fahrbachs an der Grossen Stadtgutgasse im 2. Bezirk das Café Grand Paris (Alternativ Café Ehmki), später eröffneten sie es an der Zirkusgasse neu. Es ist davon auszugehen, dass Henriette Fahrbach auch als nunmehrige Cafétière im eigenen Lokal mit ihrem «Damen-Orchester Fahrbach-Ehmki» aufspielte. Als Komponistin trat sie nicht mehr in Erscheinung. Ihren Notennachlass vermachte sie ihrem Sohn.
Von Jetti Fahrbachs rund 17 bekannten Werken sind heute nur zwei vollständig überliefert: die Mazurka „Süss beglückt“ und der Walzer „Neu Wien“. Letzterer – Opus 15, herausgegeben 1883 – hat die typische Form eines Konzertwalzers mit fünf zweiteiligen Walzern, wie sie vor 1870 üblich war. Der Walzer weist den charakteristischen Wiener Stil auf.
Henriette Fahrbach-Ehmki starb in Wien am 24. Februar 1923. Ihre Grabstätte liegt auf dem evangelischen Friedhof Matzleinsdorf.