Bestattungszeremoniell

Der Weg vom Tod bis zur ewigen Ruhe verläuft in mehreren Etappen – von der Aufbahrung des Verstorbenen über den Trauerzug zur Grabstätte bis hin zur Beisetzung vor Ort. In Wien ist jede dieser Phasen von einer eigenen, besonderen Geschichte und Entwicklung geprägt. Die reiche Begräbniskultur der Stadt, die sich bis heute erhalten hat, wird hier oft intensiver gepflegt als anderswo.

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Aufbahrung

Planet-Vienna, aufgebahrter Sarg

Verstorbene wurden an verschiedenen Orten aufgebahrt, was je nach Ort und Bedeutung der oder des Verblichenen nicht selten einer öffentlichen Zurschaustellung gleichkam. Familie, Freunde und Bekannte hatten so die Möglichkeit, den Toten ein letztes Mal zu sehen und Abschied zu nehmen. Oft fand die Aufbahrung im eigenen Heim statt, in einer Kirche oder in eigens dafür vorgesehenen Totenkammern. Letztere wurden häufig genutzt, wenn der Platz im Haus für eine Aufbahrung nicht ausreichte – dafür existierten Vorschriften, die bereits 1771 durch ein Dekret festgelegt worden waren.

Im Wien des frühen 20. Jahrhunderts war die Aufbahrung im Haus weiterhin gängige Praxis, bei der auch die gesellschaftliche Stellung des Verstorbenen zur Schau gestellt wurde. Es gab sieben Aufbahrungsklassen, wobei die sogenannte „Prachtklasse“ die höchste war. In dieser Klasse wurde traditionell ein bestickter schwarzer Teppich vom Totenbett bis zur Haustür ausgelegt. Am Eingang stand ein Portier in festlicher Traueruniform, der den Trauergästen den Zugang gewährte. Die Totenbahre war oft unter einem Samtbaldachin platziert und wurde rund um die Uhr von zwei Hausoffizieren in Trauerkleidung bewacht. Grosse Kerzenhalter umgaben den Katafalk. Wenn der Verstorbene dem Adel angehörte, setzte man ihm die seinem Stand entsprechende Krone auf. Aufbahrungen in den niedrigeren Klassen fielen deutlich schlichter aus.

Mit dem Bau von Leichenhallen auf den Wiener Friedhöfen im 20. Jahrhundert ging die Zahl der Hausaufbahrungen jedoch stetig zurück. Diese Hallen boten eine ebenso würdevolle Umgebung für die Aufbahrung des Sarges, weshalb die Praxis der Hausaufbahrung ab 1945 eingestellt wurde – nicht zuletzt aus hygienischen und gesundheitlichenm Gründen.

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Totentransport

Planet-Vienna, Leichenwagen, Pompfünebrieren

Nach der Aufbahrung folgte der Transport des Verstorbenen zur Grabstätte. Im Mittelalter wurde die Leiche traditionell zum Grab getragen, doch ab dem 12. Jahrhundert setzte sich – zunächst in den höheren gesellschaftlichen Kreisen – der Transport auf eigens dafür angefertigten Wagen durch. Besonders im 18. und 19. Jahrhundert wurde der Trauerzug – ähnlich wie die Aufbahrung – zu einer repräsentativen Angelegenheit. Je prunkvoller und feierlicher der Trauerkondukt ausfiel, desto höher war der gesellschaftliche Rang des Verstorbenen. Bestattungsunternehmen wussten diesen Zeremonienbetrieb zu kommerzialisieren: Sie vermieteten Trauerkutschen, sorgten für den entsprechenden Totenschmuck und organisierten Gestaltung sowie Ablauf des Trauerzugs. Dieser führte normalerweise vom Haus des Verstorbenen zur Kirche, wo die Einsegnung vollzogen wurde, bevor es weiter zum Friedhof ging.

Doch im Laufe der Zeit änderte sich in Wien allmählich auch dieser Brauch. Im frühen 20. Jahrhundert etwa verkehrte eine besondere Strassenbahn in der Stadt, welche Verstorbene „einsammelte“ und zum Zentralfriedhof brachte. Diese Strassenbahn war mit speziellen Fächern ausgestattet, welche die Toten für ihre letzte Fahrt aufnehmen konnten. Bald jedoch setzten sich Automobile für den Leichentransport durch und verdrängten diese Strassenbahnen und Pferdefuhrwerke. Im Laufe der Zeit wurden die Fahrzeuge zunehmend modernisiert und sind heute oft kaum noch als Leichenwagen zu erkennen.

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Erdbestattung

Im 16. Jahrhundert setzte sich allmählich die Bestattung in einem Sarg durch. Zuvor war es üblich gewesen, die Verstorbenen in Tücher zu wickeln, in Leinensäcke einzunähen oder in Behältnissen wie grossen Krügen oder ausgehöhlten Baumstämmen zu beerdigen. Da Holzsärge zunächst den wohlhabenden Schichten vorbehalten waren, wurde oft nur ein Gemeindesarg genutzt, um darin den Verstorbenen bis zum Grab zu transportieren. Die Aufbahrung des Toten für mehrere Tage, wie es im 18. und 19. Jahrhundert üblich wurde, machte einen Sarg jedoch unverzichtbar. Dies führte dazu, dass Bestattungen ohne Sarg immer seltener wurden.

Erst die Reformen von Kaiser Joseph II. brachten eine vorübergehende Änderung: Er ordnete an, dass Totenbestattungen ohne Sarg vollzogen werden und führte den sogenannten „Sparsarg“ ein, dessen Boden sich aufklappen liess. Der Verstorbene wurde in diesem Sarg zum Grab gebracht und über der Öffnung platziert. Daraufhin wurde ein Mechanismus ausgelöst, der die Leiche ins Grab plumpsen liess, Das löste bei der Bevölkerung ein so grosses Mass an Entsetzen und Entr¨üstung aus, dass der Kaiser gezwungen war, die Weisung zurücknehmen. Das individuelle Einsargen wurde wieder zum festen Bestandteil der Bestattungszeremonie.

planet-vienna, ein schachtgrab auf dem zentralfriedhof von innen
Blick in ein Schachtgrab

Vor allem in den höheren Schichten liess man sich Sarg und Zeremonie viel Geld kosten. Der Verstorbene wurde gewaschen, angekleidet und sorgfältig hergerichtet. Anschliessend legte man ihn in einen kunstvoll verzierten Holz- oder Metallsarg, der je nach Wunsch schlicht oder prunkvoll gestaltet war. Der Sarg war oft mit einer Matratze, einem Kissen und einem Schleier ausgestattet, wobei aufwendige Stoffe mit Stickereien und Spitze bevorzugt wurden. Ein Bouquet aus teuren Blumen zierte den Sargdeckel. Es entstanden Fabriken einzig zum Zweck des Sargherstellung.

Zeitweise trieb das Streben nach einer repräsentativen Bestattung – einer so genannt „Schönen Leich“ – vor allem in Wien sonderbare Blüten: Als würde man sich ein Wettrennen um das pompöseste und prächtigste Begräbnis liefern, scheuten vermögende Hinterbliebene keine M¨ühe, ihre Verblichenen in denkbar prächtigstem Rahmen zur Grabe zu tragen. Freilich leistete man sich auch nicht einen einfachen Grabstein, sondern liess für grosse Summen bei namhaften Künstlern höchst aufwendige Grabmale anfertigen. Angesichts dessen machte sich im Volksmund gar Begriff „Pompfünebrieren“ breit.

Spätestens seit 1894 ist es üblich, dass der Sarg nach der Aufbahrung von vier Trägern zum Leichenwagen getragen und schliesslich zum Grab gefahren wird. Um den Verstorbenen würdevoll ins Grab zu senken, kommt eine mechanische Vorrichtung zum Einsatz, die über der Graböffnung platziert wird. Der Sarg wird auf diese Vorrichtung gestellt und kann so sanft hinabgelassen werden. Dieses Verfahren ist zum einen fürs Auge pietätvoll, zum anderen erleichtert es die Arbeit der Totengräber.

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Feuerbestattung

Planet-Vienna, Krematorium, Feuerbestattung, Sarg, Leichenverbrennung

Als auf der Wiener Weltausstellung 1873 erstmals ein von Friedrich Siemens konstruierter Ofen zur Leichenverbrennung präsentiert worden war, zog man in der Kaiserstadt in Erwägung, diese bisher unbekannte Bestattungsform einzuführen. Bereits im darauffolgenden Jahr stellte der Gemeinderat den Antrag, bei der weiteren Planung des entstehenden Zentralfriedhofes in Simmering auch eine mögliche Einrichtung zur Einäscherung der Verstorbenen vorzusehen. Allerdings war Wien noch nicht bereit für diese Neuerung: Der Antrag wurde abgelehnt.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Befürworter der Feuerbestattung in Wien. Am 7. Oktober 1921 erteilte man schliesslich die Genehmigung zum Bau eines Krematoriums auf dem Gelände von Schloss Neugebäude gegenüber vom Haupttor des Zentralfriedhofes. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten Verstorbene, deren Einäscherung gewünscht war, unter Inkaufnahme eines hohen Zeitaufwandes in ausländische Krematorien – etwa nach Zittau oder später nach Reichenberg – überführt werden.

Die erste Einäscherung im von Clemens Holzmeister entworfenen und errichteten Krematorium in Simmering fand am 17. Januar 1923 statt. Dennoch stiess diese Bestattungsart zunächst noch auf Vorbehalte in der Bevölkerung. Erst in den 1960er-Jahren wurde die Kremation der Erdbestattung offiziell gleichgestellt und als offizielle Beisetzungsform anerkannt.


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