Die Operette

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Der Begriff „Operette“ dürfte den meisten bekannt sein, ddoch wenige wissen wirklich, was er genau bezeichnet. Die Vermutung liegt nahe, dass der Begriff von der Oper abgeleitet ist. Das ist linguistisch korrekt, jedoch besteht inhaltlich ein grosser Unterschied. Operette heisst an und für sich nichts anderes als „kleine Oper“. Wohlbemerkt bezeichnete ein Grossteil der Musikschaffenden die Werke nicht als Operette, sondern vielmehr als „komische Oper“. Der Begriff Operette wurde mehrheitlich als Kunstbegriff der Verleger verwendet, was sich später durchgesetzt hat.

Während die klassische Oper fast ausschliesslich Gesang und dramatisches Schauspiel beinhaltet, in dem eine korpulente Diva ihren Seelenschmerz zum Ausdruck bringt und gegebenenfalls im gleichen Atemzug dahinscheidet, ist die Operette durch und durch gespickt mit überwiegend fröhlichen Liedern, beschwingten Walzermelodien, Duetten, Polkas, Marschmusik und Tanz. Und der wichtigste Aspekt: theatralische Einlagen und oftmals längere gesprochene Passagen, die nicht selten das Publikum zum Lachen bringen. Die Form der Operette setzt sich meist zusammen aus einer Ouverture, 2-3 Akten und einem Finale.

Ihren Ursprung hat die Operette in Frankreich und parallel dazu in Wien. Die Urväter und quasi Begründer der Operette waren einerseits Hervé mit seinen „Folies concertantes“ und Jacques Offenbach mit seinem „Orpheus in der Unterwelt“. Ursprünglich wurden diese Bühnenstücke „Opéra bouffes“ genannt und zeichneten sich aus durch Farcenhaftigkeit und dienten der Untehaltung und Belustigung der Gesellschaft. Es war etwas völlig Neues in der Geschichte des Musiktheaters. Die knapp bekleideten Damen und die Frivolität, welche diesen Stücken normalerweise innewohnte, zog hauptsächlich männliches Publikum in die Theatersäle Mit der Popularität der Opéra bouffes wuchs auch die Bandbreite des Publikums, und es ging allmählich etwas gesitteter zu und her auf den Bühnen. In Paris brachte es insbesondere Hortense Schneider zu grosser Berühmtheit als Darstellerin. Die Pariser Männerwelt lag der Diva zu Füssen. Die typische Form der Operette, wie man sie heute kennt, entwickelte sich kurze Zeit später in Wien, freilich aus Frankreich importiert. Die ersten grossen Wiener Operetten-Darstellerinnen waren Marie Geistinger und Josephine Gallmeyer. Ihre Popularität war seinerzeit geradezu legendär.

Das anspruchsvolle Wiener Publikum empfand die französische Operette allerdings als irrwitzig und blödsinnig. So wurde in der Kaiserstadt begonnen, diesem Klamauk aus Frankreich mit „vernünftigem“ Wienerischem Paroli zu bieten. Das Laszive wurde zum Volkstümlichen, das Fremde zum Vaterländischen. Das Französische verschwand allmählich ganz aus den neuen Wiener Bühnenwerken, die Operette wurde „eingedeutscht“.

Sehr oft sind die Operetten von folkloristischen Elementen geprägt. Zigeunermusik oder russische Tänze stellen vielfach einen wichtigen Teil dar, was unter anderem an der geographischen Lage Wiens und dessen Funktion als Tor zu Osteuropa liegen mag. Besonders in der Wiener Operette ist stets ein ähnliches Handlungsmuster zu erkennen: Meist verliebt sich ein Jüngling in eine schöne Dame, welche aber unerreichbar scheint. Und schon beginnen Intrigen, Fremdgehen, Verwechslungen, Irrtümer und Lügen. Aber am Schluss ist jeder im Besitze seiner Angebeteten, der alte Lüstling kehrt glücklich zu seiner Alten zurück, und alles ist wieder in Ordnung.
Die Lieder in der Operette sind oft von scheinbar banalem textlichen Inhalt und wirken gelegentlich fast lachhaft, aber bei genauerem Hinhören widerspiegeln sie stets Situationen, mit denen jeder Mensch in seinem Leben früher oder später konfrontiert wird, was dem ganzen einen tieferen Sinn verleiht.

Die goldene Operetten-Ära

Die so genannte goldene Operettenära, welche Mitte 19. Jahrhundert begann,war geprägt von Franz von Suppé („Das Pensionat“, „Afrikareise“, „Boccaccio“…), Johann Strauss Sohn („Die Fledermaus“, „Eine Nacht in Venedig“, „Der Zigeunerbaron“, „Wiener Blut“, „Indigo“, „Cagliostro in Wien“, „Das Spitzentuch der Königin“, „1001 Nacht“…), Carl Millöcker („Der Bettelstudent“, „Gasparone“, „Die Dubarry“, „Der arme Jonathan„…), Richard Heuberger („Der Opernball„) und Carl Zeller („Der Vogelhändler“, „Der Obersteiger“…). Sie schufen Werke, welche noch heute zum Pflichtprogramm vieler Bühnen gehören, allen voran Strauss‘ „Die Fledermaus“.  Als erste reine Wiener Operette gilt Suppés „Das Pensionat“. Meist ist es nicht in primär die Handlung, welche den Werken einen grossen Erfolg bescherte, sondern der Reichtum an unvergesslichen Melodien. Wer kennt nicht die sympathische Christel von der Post oder den gekränkten Herrn, der die stolze Dame „ach, nur auf die Schulter geküsst“ hat. Aber würde Johann Strauss heutzutage öffentlich das Liebchen zum Trinken auffordern, da „Trinken die Augen hell macht“, so wäre ihm ein Konflikt mit dem Bundesamt für Gesundheitswesen sicher.

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Der inhaltliche Schauplatz vieler Operetten ist natürlich Wien, das damals als prächtige Kaiserstadt und Zentrum der Donaumonarchie einen einzigartigen Status hatte und nicht zuletzt eines der kulturellen Zentren der Welt war. Carl Zeller jedoch lässt seinen „Vogelhändler“ in der Pfalz am Rhein fungieren („Fröhlich Pfalz, Gott erhalt’s“), während Strauss‘ „Zigeunerbaron“ in der rumänischen Stadt Timisoara spielt und die lustige Witwe Madame Glawari Paris auf den Kopf stellt.

Die silberne Operetten-Ära

Anfang des 20. Jahrhundert begann die silberne Operettenära. Hier finden wir eine grössere Anzahl von Vertretern. Die wichtigsten unter ihnen sind Franz Lehár („Die lustige Witwe“, „Giuditta“, „Paganini“, „Der Graf von Luxemburg“, „Das Land des Lächelns“, „Der Zarewitsch“…), Leo Fall („Die Dollarprinzessin“, „Der fidele Bauer“, „Die Rose von Stambul“…), Emmerich Kàlmàn („Gräfin Mariza“, „Die Czárdásfürstin“…) und Ralph Benatzky mit seinem sehr folkloristisch geprägten „Im Weissen Rössl“, in dem der gute Sigismund nichts dafür kann, dass er so schön ist. Ein Vertreter beider Operettenären war hierbei Carl Michael Ziehrer („Die Landstreicher„, „Die drei Wünsche„, „Der Liebeswalzer„…). Er schrieb Operetten zu Strauss‘ Zeiten und auch später, als bereits Lehár bekannt geworden war.

Franz Lehár hatte zweifellos das reichste Schaffen der silbernen Operettenära. Kein Komponist hat je eine solche Zahl an unvergesslichen Melodien hervorgebracht. Sein „Franz Lehár hatte zweifellos das reichste Schaffen der silbernen Operettenära. Kein Komponist hat je eine solche Zahl an unvergesslichen Melodien hervorgebracht. Sein „Dein ist mein ganzes Herz“ wurde in fast jede Sprache der Welt übersetzt, und auch Evergreens wie „Lippen schweigen, s’flüstern Geigen“ finden sich in zahlreichen Formen auf so mancher Platte. Der Zeitgenosse Richard Strauss hat Franz Lehár kritisiert und ihn verachtend gar als „Strassenmusikant“ bezeichnet. SS-Führer Heinrich Himmler fuhr Strauss ins Wort, er solle endlich das dumme Geschwätz von ernster Musik unterlassen, denn Lehár habe die Massen und er (R. Strauss) nicht. Wohl das einzig zu billigende, was Himmler je von sich gegeben hat.

Weitere namhafte Komponisten der silbernen Ära waren Oscar Straus, Edmund Eysler, Eduard Künneke, Robert Stolz, Nico Dostal, Rudolf Kattnigg oder der Berliner Paul Lincke. Hier dürfte Oscar Straus neben Edmund Eysler  einer der wenigen gewesen sein, der es noch verstand, die typische Wiener Musik zu verwenden. Seinem Duett „Da draussen im duftenden Garten“ ist wohl eine der rührendsten Melodien unterlegt, die je ein Komponist ein einer Operette eingebracht hat. Daher ist dies auch gleichzeitig das berühmteste Lied aus seinem „Walzertraum“. Die Operetten Künnekes hingegen haben bereits sehr viele synkopische Elemente und gesprochene Lieder mit modernem Charakter. In dieser Zeit entstanden auch im übrigen Europa und in Amerika Operetten, die aber vermehrt dem Genre des Musicals ähneln und kaum mehr wienerisch anmuten. Der Übergang von der Operette zum Musical ist fliessend.