Der schwarze Tod

Die Pest gehört zu den schwersten akuten bakteriellen Infektionskrankheiten der Geschichte. Der eigentliche Erreger ist erst 1894 vom Schweizer Tropenarzt Alexander Yersin entdeckt worden – der Bazillus erhielt den Namen „Yersinia Pestis“. Im Mittelalter war der Begriff „Pest“ Überbegriff für mehrere schwere Erkrankungen mit häufig tödlichem Ausgang, beispielsweise die Ruhr oder die Pocken. Dem Ausdruck „Pest“ haftete Schreckliches an, Verderben oder Unglück, weshalb die Geschichtsschreiber es vornehmlich vermieden, das Wort „Pest“ zu verwenden und sich deshalb anderer Begriffe bedienten wie „hitziges Fieber“ oder „leidige Seuche“.

Planet-Vienna, die Pest

Die verheerendste Pestepidemie der europäischen Geschichte dauerte von 1348 bis 1352. Um die 25 Millionen Menschen – das entsprach knapp einem Drittel der damaligen Bevölkerung Europas – fielen dem Lungenpest-Bazillus zum Opfer. Die Übertragung erfolgte nicht – wie bei der Beulenpest – durch Flohbisse, sondern über hochinfektöse Tröpfchen. In Wien erreichte die Lungenpest 1349 ihren Höhepunkt. Es sollte nicht der einzige Pestausbruch bleiben: In den folgenden 400 Jahren trat sie noch mehrmals auf und brachte Tod und Verderben. Man kannte lange Zeit weder Medizin, noch andere wirksame Massnahmen, um die Ausbreitung einzdämmen.

Pestsäulen und Pestkreuze

Die Menschen waren der Krankheit hilflos ausgeliefert. Da suchte man Schutz im Glauben durch Anrufung der Jungfrau Maria, der allerheiligsten Dreifaltigkeit sowie allerlei Pestheiliger. Vielerorts in Österreich und besonders in Wien finden sich bis heute zahlreiche Zeugnisse dieser Fürbitten so genannte Pestsäulen, Pestaltäre oder Pestkreuze. Die Pest- oder Dreifaltigkeitssäulen am Graben und bei der Kirche St. Ulrich sind zwei besonders eindrucksvolle solcher Beispiele aus der Zeit des Barock. Eine weitere Antwort auf die letzte schwere Pestepidemie in Wien anno 1679 ist die Karlskirche, geweiht dem Pestheiligen Karl Borromäus.

planet-vienna, abraham a sancta clara, augustinermönch ind prediger
Abraham a Sancta Clara, Ölgemälde um 1680

Eine gewichtige Stimme zu der Zeit war der Augustiner Eremit Abraham a Sancta Clara (1644-1709), der mit bürgerlichem Namen Hans Ulrich Megerle hiess, aus Schwaben stammte und 1668 in Wien die Priesterweihe empfangen hatte. 1680 veröffentlichte a Sancta Clara seine Pestschrift „Mercks Wienn“, in der er die Krankheit als Zeichen von Gottes Zorn beschreibt. Als kaiserlicher Prediger hatte das Wort des Ordensmannes entsprechend hohes Gewicht. In seiner Pestschrift ist an einer Stelle zu lesen: „Worvon die Pest verursacht werde, … so wiess ich doch, dass dieser gifitge Pfeil mehristen Theil von der Hand Gottes abgetruckt wird, wie dessen vielfältige Zeugnis die göttliche Schrift belegt. Auss welchem augenscheinlich kundbar und offenbar, dass die Pestilenz eine Ruthen seye, so die obere Hand Gottes flechtet… so traue ich doch wenigst den Baum zu zeigen, worvon Gott die Ruthe flechtet. Dieser Baum ist die Sünde.“ Abraham a Sancta Clara machte ferner Hexen und die Juden mitverantwortlich für die Seuche.

Planet-Vienna, die Pest

Die Ärzte empfahlen die abenteuerlichsten Mittel zur Vorbeugung gegen eine Pesterkrankung. Beispielsweise Theriak, eine opiumhaltige Arznei mit 60-80 Bestandteilen, die vor allem bei Vergiftungen Verwendung fand. Sie rieten zu Aderlässen oder verschrieben Schwitzkuren, das Kauen von Wacholderbeeren, Lorbeer, Knoblauch, Weinraute oder die Zuführung eines Schwefelgemischs. Als wahres Wundermittel wurde das Auflegen einer aufgespiessten Kröte gehandelt, die zuvor in Wein und Essig eingelegt worden war. Im Falle der Beulenpest erwies sich das chirurgische Öffnen der Pusteln als eine der wenigen wirksamen Methoden, das Leiden zu lindern – der Eiter floss ab, die Schmerzen liessen nach.

Eine „Pest-Ordnung“

Planet-Vienna, Statue des Abraham a Sancta Clara in Wien
Abraham a Sancta Clara

Bei der grossen Epidemie in Wien wurden in der Leopoldstadt bereits im Dezember 1678 die ersten Pesterkrankungen registriert, doch die Behörden reagierten nicht und verschwiegen die Fälle. Innert Kürze griff die Seuche auf die umliegenden Vorstädte Wiens über. Es wurden Siechenhäuser eingerichtet, eines im Alsergrund, ein weiteres in der Spittelau. Bald aber reichte deren Kapazität nicht mehr aus. Die Sterberate schnellte in die Höhe. Der aus Holland stammende, an der Wiener Universität lehrende Pestarzt Paul de Sorbait hatte bereits vor dem grossen Ausbruch in Wien eine Ordnung verfasst über gezielte Vorkehrungen, mittels welcher die Ausbreitung der Seuche verlangsamt oder verhindert werden können, es waren hauptsächlich hygienetechnische Massnahmen. Die Behörden fassten jedoch erst im Frühjahr 1679 den Entschluss, die Ordnung zu erlassen. Man schenkte Sorbaits Empfehlungen zunächst nur wenig Beachtung. Erst als die Allgemeinheit begriff, dass sie tatsächlich Wirkung zeigten, setzte man die Massnahmen um.

In Sorbaits „Pest-Ordnung“ war unter anderem zu lesen: „…nachdem die Erfahrung mit sich bringt, dass Sauberkeit ein sonderbar nützlich und notwendiges Mittel ist, sowohl die Einreissung der Infektion zu verhüten, als auch dieselbe abzuwenden: Herentwegen die Unsauberkeit solches Übel verursacht und erhaltet. So ist Unserer erntslicher Befehl, dass Erstens kein blut, Eingeweide, Köpfe und Beine von dem abgetöteten Vieh, noch auch Kraut-Blätter, Krebs, Schnecken, Eyerschallen oder anderen Unflat auf denen Gassen und Plätzen ausgegeossen: Ingleichen keine todte Hund, Katzen oder Geflügel auf die Gassen geworfen, sondern ein und anders vor die Stadt hinausgetragen werden…“

Planet-Vienna, die besiegte Pest an der Pestsäule am Graben
Die „besiegte Pest“ an der Pestsäule am Graben

Noch im Sommer des Jahres 1679 breitete sich der Beulentod auf die Innenstadt Wiens aus und zeigte hier seine hässlichste Fratze. Infizierte starben innert weniger Tage oder Stunden. Ununterbrochen fuhren die Leichenkarren bei Bürgerhäusern und Adelspalästen vor, um die Toten abzuholen. Bald lagen Leichen tagelang in den Strassen Wiens, da es an Totengräbern fehlte oder diese ihre Arbeit nicht mehr bewältigen konnten.

Planet-Vienna, der liebe Augustin in der Pestgrube, Gemälde
Der liebe Augustin in der Pestgrube

Eiligst zog man zur Verstärkung Häftlinge aus den Gefängnissen heran. Ausserhalb der Stadtmauer wurden grosse Pestgruben ausgehoben, die Toten Fuhrwerk für Fuhrwerk hineingeworfen. Zeitzeugen berichteten, dass die sieben Stadttore nicht mehr ausreichten, die Leichenmassen aus der Stadt zu führen. Wer von der Pest bisher verschont geblieben war und genug Geld hatte, der flüchtete aus der Stadt. Kaiser Leopold I. verliess am 17. August 1679 mit seiner Familie Wien und fuhr nach Prag. Als die Pest auch dort Einzug hielt, floh er weiter nach Linz, wo er verharrte, bis die Seuche in Wien endgültig erloschen war.

Wieviele Wienerinnen und Wiener dem Schwarzen Tod bei der Epidemie von 1679 zum Opfer gefallen sind, liegt weitgehend im Dunkeln. Die Sterberate war extrem hoch. Heutige Schätzungen gehen von ungefähr 12’000 Opfern aus. Aufzeichnungen von Zeitzeugen führen Zahlen zwischen 70’000 und 120’000 an.