Sofiensaal

3. Bezirk, Marxergasse 17

planet-vienna, der sofiensaal in wien

Der Textilgewerbler Franz Morawetz erhielt um 1838 von einem russischen Offizier den Rat, in Wien ein Dampfbad im russischen Stil zu errichten, da es ein Bad dieser Art in Wien noch nicht gab. Gesagt, getan – Josef Gerl lieferte die Pläne. Als eine Kammerfrau der Erzherzogin Sophie im Bad von einem Leiden geheilt worden war, wurde das Bad in Sofienbad umbenannt. In der Zeit von 1845 bis 1849 wurde das bestehende Bad von Eduard van der Nüll und August Sicardsburg erweitert und ausgebaut, Logen und Galerien eingezogen.

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Das Bad erhielt eine Zweitfunktion als Ball- und Konzertsaal. Vor allem im Sommer wurde es als Tanz- und Musikstätte benutzt, im Winter hingegen nach wie vor als Schwimmbad. Das grosse Schwimmbecken wurde mit Brettern bedeckt. Der so entstandene Tanzboden hatte durch den Hohlraum darunter eine hervorragende Resonanz. 1848 konzertierte hier Johann Strauss Vater, worauf bald die bedeutendsten Tanzformationen der Monarchie in den Sofiensaal kamen und aufspielten.1886 wurde ein zweiter Saal hinzugebaut, der „Blaue Salon“, worauf nicht mehr einfach vom Sofiensaal die Rede war, sondern von den Sofiensälen – im Plural. Um 1898 erhielt das Gebäude seine heutige Hauptfassade, welche architektonisch der Zeit angepasst war.

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Die Sofiensäle um 1934

Am 22. März 1912 hielt hier – wenige Tage vor seinem Tod – der deutsche Schriftsteller Karl May seinen letzten, bis heute viel diskutierten Vortrag „Empor ins Reich des Edelmenschen“. Im Publikum soll neben weiteren illustren Gästen auch der gescheiterte Kunststudent Adolf Hitler gesessen haben, was jedoch nicht belegt ist. 14 Jahre später, am 4. Mai 1926, wurde im Sofiensaal die Österreichische NSDAP gegründet. Ab 1938 wurden in den Sofiensälen die Juden aus der Umgebung zusammen getrieben und für die Deportation in die Vernichtungslager im Osten abgefertigt.

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Die Sofiensäle als Bauruine vor der Sanierung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Sofiensäle wieder ihren eigentlichen Bestimmungen übergeben. 1948 wurde die eingezogene Decke entfernt und das Dachstuhlgerüst freigelegt. Der Maler Konrad Honold gestaltete das Foyer um. Die Sofiensäle waren Austragungsort von rauschenden Bällen, Festkonzerten, Theateraufführungen, seltenen Opern und andern kulturellen Grossveranstaltungen. In den 50er-, 60er- und 70er-Jahren betrieb die Firma DECCA hier ein hochmodernes Aufnahmestudio und produzierte zahlreiche Tonträger – oft mit den Wiener Philharmonikern. Bis in die 1980er-Jahre diente das Haus weiterhin für Ball- und Konzertveranstaltungen. Obwohl bereits um 1886 von einem Abriss und dem Bau eines Hotels die Rede war, blieb die geschichtsträchtige Location bestehen. In den 90er-Jahren wechselte das Konzept, und es fanden Clubbings statt, die bis weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt waren.

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Die Sofiensäle als Bauruine vor der Sanierung

Am 16. August 2001 wurden Reparaturarbeiten am Dach vorgenommen. Dabei entstand unbemerkt ein Schwellbrand, der den Dachstuhl vollständig zerstörte. Das Gebäude brannte aus, und zurück blieb bloss eine traurige Ruine, welche noch heute unverändert ihr Dasein fristet. Noch immer stehen die übrig gebliebenen Mauern unter Denkmalschutz, weshalb eine Abtragung der Ruine nicht möglich ist.

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Die Sofiensäle als Bauruine vor der Sanierung

Die damalige Eigentümerin plante den Bau eines Hotels, sah es aber als nicht realisierbar, die denkmalgeschützten Überbleibsel der Sofiensäle in einen modernen Neubau zu integrieren und wollte sie abreissen. Zwischen der Eigentümerin und dem Bundesdenkmalamt herrschte ein Dauerzwist. 2006 kaufte eine Immobilienfirma die gesamte Liegenschaft mit der Absicht, die Sofiensäle zu sanieren und in ein Hotel umzubauen. Dies wurde jedoch ebenfalls nicht umgesetzt. Es wurde der Ruf lauf, die Ruine in ein Kulturzentrum zu verwandeln. Die nächste Eigentümerin legte 2010 Pläne vor, welche eine Verbindung des historischen Saales und der Hauptfassade mit einem Neubaukomplex mit Wohnungen, Restauration, Hotel und Fitnesscenter vorsahen. Dieses Grossprojekt konnte schliesslich ausgeführt und 2013 in Betrieb genommen werden.

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