Stiftsplatz, Klosterneuburg

Jenseits des Leopoldsbergs erhebt sich majestätisch auf einer Anhöhe das Stift Klosterneuburg. Seine Gründung geht auf das Jahr 1113 zurück, als der Babenberger-Markgraf Leopold III. Klosterneuburg zu seiner Residenz machte. Die Gründungslegende erzählt, dass Leopold nach seiner Hochzeit mit der Kaisertochter Agnes gemeinssam mit ihr auf dem Balkon seiner Burg am Leopoldsberg stand, als plötzlich ein Windstoss Agnes‘ kostbaren Schleier davontrug. Trotz intensiver Suche blieb er unauffindbar. Neun Jahre später entdeckte Leopold während einer Jagd den Schleier unversehrt an einem Holunderstrauch hängend. In diesem Moment erschien ihm die Jungfrau Maria und hiess ihn, an dieser Stelle ein Kloster zu errichten – und so geschah es.

In Wirklichkeit stand hinter der Gründung des Klosters jedoch der Ausbau des Donauraums um Wien durch die Babenberger. Ziel war es, das Umland schrittweise zu besiedeln und landwirtschaftlich nutzbar zu machen, was vor allem durch die Gründung von Klöstern vorangetrieben wurde. Um 1133 berief man die Augustiner-Chorherren nach Klosterneuburg, die seither das Stift bewohnen und bewirtschaften. Der Weinbau, der seit den Anfangstagen ein zentraler Wirtschaftszweig des Klosters war, prägt bis heute die ausgedehnten Weinberge des Stifts.
Ein unvollendetes Kloster
Das Stift Klosterneuburg birgt die Überreste des ältesten gotischen Bauwerks Österreichs, der Capella Speciosa. Diese war auf den Fundamenten eines romanischen Vorgängerbaus errichtet, jedoch 1799 unter Joseph II. abgerissen worden. Einige erhaltene Architekturfragmente der Kapelle blieben erhalten und wurden später in der Franzensburg in Laxenburg verbaut.

Im 18. Jahrhundert liess Karl VI. die gesamte Klosteranlage umgestalten mit dem ehrgeizigen Ziel, eine Anlage nach dem Vorbild des Escorial in Madrid zu schaffen. Es sollte ein quadratischer Grundriss mit vier Innenhöfen entstehen. Die Bauarbeiten begannen 1706 unter Jakob Prandtauer und wurden ab 1730 von Donato Felice d’Allio weitergeführt. Doch nach dem Tod Karls VI. im Jahr 1740 stockte das Projekt, und obwohl Joseph Kornhäusel zwischen 1834 und 1842 den Weiterbau leitete, blieb die Anlage letztlich unvollendet – nur einer der vier geplanten Höfe wurde fertiggestellt.

Zwischen 1880 und 1890 erhielt die Klosterkirche durch Friedrich von Schmidt ihre markanten neugotischen Türme. Während das Langhaus in romanischem Stil gehalten ist, entfaltet sich im Inneren der Kirche barocke Pracht. Die grossflächigen Fresken stammen unter anderem von Michael Rottmayr. In einer Seitenkapelle befinden sich die Grabstätte von Stiftsgründer Leopold III. und der kunsthistorisch „Verduner Altar“ aus dem Jahr 1180. Er gilt als eines der bedeutendsten mittelalterlichen Kunstwerke überhaupt. Er besteht aus 45 feuervergoldeten Kupferplatten, die auf einem hölzernen Untergrund befestigt sind und ein komplexes Bildprogramm aus dem Alten und Neuen Testament zeigen.


Ein weiterer Höhepunkt der Kirchenausstattung ist die Orgel aus dem Jahr 1642, die zu den bedeutendsten in Österreich zählt. Ihre einzigartige Klangfarbe macht sie zu einer besonderen Attraktion. Im Frühjahr 2006 wurden aufwendige Renovierungsarbeiten an der gesamten Anlage abgeschlossen. Heute ist das Stift Klosterneuburg eine Kulturstätte, die Wert auf die Verbindung von geistlichem und weltlichem Lebenlegt. Führungen durch die barocken Räume geben Einblicke in die imperiale Welt Kaiser Karls VI. Das Stiftsmuseum birgt umfangreiche mittelalterliche Sammlungen.
