Kaiser
Joseph II. wurde am 13. März 1741 in Wien geboren. Als erstgeborener männlicher Nachkomme Maria Theresias und Franz I. Stephans war er von Geburt an Thronfolger. Das sorgte in der Hauptstadt für Begeisterung und Jubel. Der hochbegabte Junge erhielt eine Erziehung im Geiste der katholischen Aufklärung und des modernen Naturrechts. Schon früh zeigte er eine Vorliebe für den einfachen Lebensstil und fiel durch seinen scharfen Zynismus auf.
1760 heiratete Joseph Prinzessin Isabella von Parma, die er aufrichtig liebte. Sie hatten eine Tochter, Maria Theresia. 1763 brachte Isaebella – nach zwei Fehlgeburten – eine zweite Tochter zur Welt, die auf den Namen Christine getauft wurde, jedoch wenige Stunden nach der Geburt starb. Isabella war zu diesem Zeitpunkt bereits schwer an den Pocken erkrankt. Eine Woche nach der Geburts erlag sie der Krankheit.
Für Joseph brach eine Welt zusammen, er schwor einer weiteren Heirat ab. Doch auf Drängen seiner Mutter zur Erfüllung der kaiserlichen Pflicht ging Joseph 1765 eine zweite Ehe mit Prinzessin Maria Josepha von Bayern ein. Diese Verbindung blieb unglücklich und kinderlos. Obschon Maria Josepha von herzensgutem und sanftem Wesen war, lehnte Joseph sie ab. Sie erschien ihm zu unscheinbar und ungebildet, dennoch brachte er ihr den nötigen Respekt entgegen. A1767 starb auch Maria Josepha an den Pocken. Als 1770 Josephs erste Tochter Maria Theresia im Alter von erst sieben Jahren starb, zoger sich zunehmend zurück und vereinsamte.
1764 wurde Joseph zum römisch-deutschen König gewählt und nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1765 in Frankfurt zum Kaiser gekrönt. Zunächst blieb er jedoch nur Mitregent neben seiner Mutter. Ihre vorderhand konservativen Ansichten kollidierten häufig mit Josephs liberalen Reformbestrebungen, was zu starken Spannungen zwischen Mutter und Sohn führte. Dennoch erreichte Joseph politisch viel: Er brachte Galizien, die Bukowina und das Innviertel in habsburgischen Besitz und bereiste die Monarchie ausgiebig, um sie besser kennenzulernen.
Nach dem Tod Maria Theresias im Jahr 1780 wurde Joseph II. zum Alleinherrscher und konnte seine Reformen nun uneingeschränkt umsetzen – das Zeitalter ist als „Josephinismus“ in die Österreichische Geschichte eingegangen. Er schaffte die teilweise noch bestehende Leibeigenschaft und die Folter ab, führte die Steuerpflicht auch für Adel und Klerus ein, gewährte Soldaten und Bauern erweiterte Rechte und beschränkte gleichzeitig jene der Grundherren. Zudem gründete er mehrere Bistümer und zahlreiche Pfarren, öffnete die kaiserlichen Gärten in Schönbrunn sowie die Jagdgebiete im Augarten und Prater für die Allgemeinheit, lockerte das strenge höfische Zeremoniell und gründete das Allgemeine Krankenhaus, das damals das größte seiner Art in Europa war.
Joseph II. entsagte explizit höfischem Prunk und mischte sich gelegentlich inkognito unter das Volk, was ihm den Beinamen „Volkskaiser“ einbrachte. Seine bedeutendsten Reformen betrafen jedoch die Religionspolitik. Mit dem so genannten „Toleranzedikt“ schwächte er die Vormachtstellung der katholischen Kirche und führte in Wien die Religionsfreiheit ein, die es der Bevölkerung erlaubte, alle Konfessionen uneingeschränkt auszuüben. Er verstaatlichte die Priesterausbildung, untersagte längere Wallfahrten und verbot die Bestattung auf innerstädtischen Friedhöfen. Somit mussten diese vor die Stadt verlegt werden. Insbesondere seine Begräbnisreformen, wie der Einsatz des sogenannten Sparsarges und die drastische Einschränkung prunkvoller Begräbniszeremonien, stiessen auf heftigen Widerstand in der Bevölkerung und konnten nur teilweise durchgesetzt werden. Vor allem Adel und Klerus zeigten wenig Verständnis für die strikten Reformen des Kaisers.
Mit der Zeit regte sich immer mehr Widerstand gegen Josephs Reformpolitik, was ihn zwang, viele seiner Massnahmen wieder zurückzunehmen. Besonders in Ungarn und Belgien gab es heftigen Protest, da die Reformen in diesen Gebieten besonders rasch und unvorbereitet eingeführt wurden.
Am 20. Februar 1790 starb Joseph II., der als Reformkaiser in die Geschichte einging, in Wien. Er wurde in der Kaisergruft in einem schlichten, schmucklosen Kupfersarg neben dem monumentalen Sarkophag seiner Eltern beigesetzt. Seinem ausdrücklichen Wunsch entsprechend, erfolgte die Beisetzung in einer Uniform, ohne Einbalsamierung.