Kaiser
Karl wurde am 1. Oktober 1685 in Wien geboren und war als zweitgeborener Sohn Kaiser Leopolds I. von Anfang an für eine kirchliche Laufbahn vorgesehen – eine gängige Praxis im Kaiserhaus. Zu diesem Zweck wurde er in die Obhut von Fürst Anton Florian von Liechtenstein und den Jesuiten gegeben. Sein Vater hatte jedoch ehrgeizigere Pläne für ihn. Er wollte Karl als Nachfolger des kinderlosen spanischen Königs Karl II. auf den spanischen Thron setzen. Doch der Plan scheiterte, da Karl II. in seinem Testament Philipp von Anjou als Erben bestimmte. Leopold entschied sich, Karls Ansprüche militärisch zu verteidigen, was im Spanischen Erbfolgekrieg resultierte.
1703 machte sich Karl mit einem grossen Gefolge auf den Weg über England nach Lissabon um seine Ansprüche zu verfolgen. Er eroberte Gibraltar und rückte bis nach Barcelona vor, wo er sich sechs Jahre lang behauptete. Trotz eines kurzzeitigen Erfolges in Madrid musste Karl schliesslich nach Katalonien zurückweichen.
Nach dem Tod seines kinderlosen Bruders Joseph I. am 17. April 1711 bestieg Karl als Karl VI. den Thron des Heiligen Römischen Reiches. Um seine Position in Spanien zu sichern, ernannte er seine Frau Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel zur Statthalterin Barcelonas. Am 19. April 1713 erliess Karl die so genannte Pragmatische Sanktion, eine Bestimung, welche die Unteilbarkeit sowie Untrennbarkeit aller habsburgischen Erbländer festlegte und es auch weiblichen Nachkommen ermöglichte, die Regentschaft zu übernehmen. Am 7. März 1714 sah sich Karl jedoch gezwungen, offiziell auf seine Ansprüche in Spanien zu verzichten. Doch während er im Westeuropa scheiterte, war er im Osten umso erfolgreicher: Unter der Führung von Prinz Eugen errang Österreich bedeutende Siege gegen die Türken, insbesondere bei Peterwardein und Belgrad. Trotzdem verlor Karl in späteren Konflikten wieder Teile dieser Gebiete. Zudem sah er sich im dauerhaften Konflikt mit den neu aufstrebenden Mächten Preussen und Russland.
Karl VI. galt politisch als eher ungeschickter Herrscher, dem häufig das diplomatische Fingerspitzengefühl fehlte. Doch seine Leidenschaft für Kunst und Musik war umso ausgeprägter. Er flüchtete sich vor seinen politischen Misserfolgen in die Welt der Künste, könnte man es umschreiben. Wien erlebte unter seiner Herrschaft eine Blütezeit barocker Architektur. Architekten wie Johann Bernhard Fischer von Erlach, sein Sohn Joseph Emanuel, Johann Lucas von Hildebrandt und Donato Felice von Allio prägten die Stadt. Nach der Pestepidemie liess Karl die Karlskirche errichten und erweiterte die Hofburg um die Nationalbibliothek, den Michaelertrakt, die Reichskanzlei und die Winterreitschule. Darüber hinaus erhob er Wien zum Erzbistum, und die Stadt entwickelte sich unter ihm zur Kulturmetropole Europas.
Karl VI. konnte seine politischen Rückschläge auf kultureller Ebene mehr als ausgleichen. Am 20. Oktober 1740 verstarb er nach mehrtägier Krankheit in der Neuen Favorita auf der Wieden, vermutlich an den Folgen einer Pilzvergiftung.