3. Bezirk, ehem. Salesianergasse 11
Der Name Vetsera wirft bis heute einen düsteren Schatten auf die Geschichte Österreichs. Die tragische Hauptfigur dieser Familie, Mary Freiin von Vetsera, zog 1880 mit ihren Eltern in ein Palais in der Salesianergasse. Dieses spätbarocke Gebäude aus dem Jahr 1794, umgeben von einem Garten, hatte bereits mehrfach den Besitzer gewechselt. 1895 erhielt es nach Plänen von Johann Chalusch eine neue Fassade. Zwei seitlich angebaute Trakte erweiterten das Palais, wodurch ein kleiner Innenhof entstand.
Die Familie Vetsera war jedoch nicht die Eigentümerin, sondern bewohnte das Palais zur Miete. Dennoch war das Haus bald als Vetsera-Palais bekannt, es war häufig Schauplatz gesellschaftlicher Anlässe und Feste, zumal die Vetseras in Wien – obschon sie nicht zum hohen Adelskreis gehörten und einen eher zweifelhaften Ruf hatten – Bekanntheit genossen. Das Familienoberhaupt Albin Johannes Freiherr von Vetsera war hochrangiger Diplomat. Seine Frau Helene Baltazzi entstammte einer der damals reichsten Familien Griechenlands.
Schicksalhafte Beziehung zum Kaiserhaus
Das Familienleben der Vetseras stand allerdings von Beginn an unter keinem guten Stern: Freiherr von Vetsera hatte die Baltazzi-Tochter nicht aus Liebe geheiratet, sondern vielmehr, um sein eigenes Ansehen zu untermauern. Kurz nach dem Einzug in das Palais musste er Wien verlassen und trat als Delegierter der Monarchie seinen Dienst in Kairo an, wo er 1887 verstarb und seine Frau und die mittlerweile vier Kinder in Wien zurückliess. Der älteste Vetsera-Sohn fiel kurz darauf der Ringtheater-Katastrophe zum Opfer.
Ein nicht weniger tragisches Schicksal – wenn auch ganz anderer Art – sollte die jüngste Tochter Mary ereilen, deren Verbindung mit Kronprinz Rudolf zur berüchtigten Mayerling-Affäre führte, die im gewaltsamen Doppel-Selbstmord Rudolfs und Marys gipfelte. Zunächst wurde kolportiert, Mary habe den Kronprinzen vergiftet und dann Selbstmord begangen. Marys Mutter wurde gezwungen, das Palais und Wien zu verlassen. Schliesslich stellte sich heraus, dass es sich um einen gemeinsamen Suizid handelte. Nach Marys unwürdiger Beisetzung beim Stift Heiligenkreuz, an der ihre Mutter nicht teilnehmen durfte, lebte Helene Vetsera-Baltazzi fortan in sozialer Isolation. Nach dem Skandal von Mayerling mieden die Mitglieder der Gesellschaft den Kontakt zu den verbliebenen Vetseras.
Nachdem die alleinstehende Mutter die Kosten für das Palais nicht mehr aufbringen konnte, zog sie in eine Mietwohnung. Danach nutzten das Palais nacheinander die amerikanische und die japanische Gesandtschaft. Um 1916 wurde das ehemalige Palais Vetsera abgetragen, weil es der neu angelegten Neulinggasse im Weg stand. Die beiden verbliebenen Vetsera-Kinder starben vorzeitig, und mit dem Tod der durch den Krieg völlig verarmten Mutter im Jahre 1925 erlosch das letzte Mitglied der Familie. Der Name Vetsera bleibt jedoch wegen der nach wie vor nicht vollständig geklärten Mayerling-Tragödie bis zum heutigen Tage im Gedächtnis der Menschheit.