Ehemaliges Ringtheater

1. Bezirk, Schottenring 7

planet-vienna, das ehemalige ringtheater

In den Jahren 1872-1874 wurde das Ringtheater von Emil Ritter von Förster am Schottenring erbaut. Als „Komische Oper“ für die leichtere Muse war es das Gegenstück zur Hofoper, welche vornehmlich „ernsten“ Bühnenwerken vorbehalten war. Die Bezeichnung „Ringtheater“ bestand erst ab 1878, nachdem das Repertoire erneuert worden war und fortan hauptsächlich Schauspiel, italienische und deutsche Opern umfasste.

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1881 war das Ringtheater Schauplatz einer der schlimmsten Brandkatastrophen in der Geschichte Wiens. Am Abend des 8. Dezembers 1881 sollte Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ im Ringtheater ihre Wiener Uraufführung erhalten. Als das Publikum bereits seine Plätze eingenommen hatte, schickte das Personal sich an, die Gaslampen im oberen Bühnenbereich hinter dem Vorhang zu entzünden. Es handelte sich um fünf Kästen mit je 48 Leuchtgasbrennern, die sich mit einem pneumatisch-elektrischen System entzünden liessen – eine Erfindung des Maschinenmeister von Hofburgtheaters, Carl Barrot.

Die Türen als Todesfalle

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Doch an jenem Abend versagte das System, und das entweichende Gas explodierte beim zweiten Entzündungsversuch. Ein Feuer entstand, das durch die Zugluft einer offenen Seitentür sofort auf den Bühnenprospekt übergriff und kurz darauf den vollbesetzten Zuschauerraum erreichte. Da der Bühnenvorhang noch verschlossen war, bemerkten die Zuschauer die Gefahr erst, als dieser in Flammen stand. Panik brach sofort aus, und die Menschenmenge versuchte, ins Freie zu flüchten. Das Verhängnisvollste dabei war, dass die Eingangstüren des Gebäudes nur nach innen aufgingen. Nachdem zahlreiche Menschen gestürzt und überrannt worden waren und die panische Menge von hinten nachströmte, übte das einen so ungeheuren Druck gegen die Türen aus, dass es unmöglich geworden war, sie noch zu öffnen.

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Im Obergeschoss flüchteten verzweifelte Theaterbesucher auf den Balkon und stürzten sich aus Angst vor den mittlerweile aus Dachstuhl und Fenstern lodernden Flammen über die Balustrade in den Tod oder blieben schwer verletzt liegen. Es folgte eine Kette höchst unglücklicher Umstände. Zum einen war kein Sicherheitsbeamter oder Vertreter der Feuerwache anwesend, zum anderen wurde der Feuerwehrzentrale am Hof lediglich ein Dachbrand gemeldet, sodass die Feuerwehr beim Theater bühnenseitig Stellung bezog und vorerst gar nicht bemerkte, dass es sich um einen Vollbrand handelte.

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Als die Feuerwehr das Ausmass der Katastrophe endlich realisierte, wurden weitere Löschgruppen angefordert, doch die Hydranten funktionierten zunächst nicht. Auch waren keine Ärzte zugegen, um die schwer Verletzten zu versorgen. Ohnehin dauerte es sehr lange – zwischen 30 und 35 Minuten –, bis sich die Rettungseinsätze um die Eingeschlossenen kümmerten. Da sich die Türen nicht öffnen liessen, gingen die Einsatzkräfte davon aus, dass sich niemand mehr im Theater befinde. Der verhängnisvolle Satz der Polizei „Alles gerettet!“ erlangte traurige Berühmtheit.

Ein immenser menschlicher und kultureller Verlust

planet-vienna, der brand des wiener ringtheaters, gemaelde von hans templw
Gemälde von Hans Temple, 1881

Nach der Katastrophe kamen nach und nach erschreckende Fakten ans Licht, die eine ungeheure mangelnde Sicherheit, Versäumnisse und grosse Nachlässigkeit offenbarten. Aus Kostengründen waren diverse notwendige Sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen worden, was im Ringtheaterprozess einigen Verantwortlichen Bussgelder, Freiheitsstrafen und Amtsenthebungen einbrachte. Insgesamt waren 386 Tote zu beklagen, je nach Statistik und Quelle sogar 448. Identifizieren konnte man nur 250 der Leichen, die übrigen waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die Stadt Wien war durch das tragische Unglück um zahlreiche Waisen und Verwitwete reicher geworden. Auf dem Zentralfriedhof wurde ein Gedenkstein für die Opfer des Ringtheaterbrandes errichtet. Neben den menschlichen Opfern ist auch der ungeheure kulturelle Verlust nicht zu vergessen. Fast der gesamte Archivbestand an Notenmaterial und Drehbüchern wurde ein Raub der Flammen. Von vielen hier gelagerten Partituren waren noch keine Kopien angefertigt worden, sie waren unwiderruflich verloren.

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Gedenktafel

Der Ringtheaterkatastrophe waren zwei ähnliche Unglücke vorausgegagnen: Am 23. März desselben Jahres brannte die Oper in Nizza aus und im August das Nationaltheater in Prag. Der Ringtheaterbrand, der mit Abstand die schwersten Folgen hatte, war dann ausschlaggebend für eine Überarbeitung der Sicherheitsvorschriften in Theaterbauten, die bis heute in ihrem Prinzip weltweit Gültigkeit haben. Diese Vorschriften betrafen vor allem die Wahl der Baumaterialien, die Handhabung der Beleuchtung, die Fluchtwege, die Reorganisation der Sicherheitskräfte und deren Einsatzbereitschaft und ganz besonders die ausnahmslose Installation von Türen, die sich nach aussen öffnen lassen.

Kaiser Franz Joseph spendete die finanziellen Mittel zur Errichtung eines Wohngebäudes mit einer Gedenkkapelle an der Stelle, wo das Ringtheater stand. Dieses von Friedrich von Schmidt errichtete Gebäude – im Volksmund „Sühnhaus“ genannt – wurde bei Bombenangriffen im Jahr 1945 schwer beschädigt und sechs Jahre später abgetragen. Heute steht an diesem Ort die Direktion der Wiener Bundespolizei.


planet-vienna, das ehemalige ringtheater, Historische Aufnahme der Brandruine
Historische Aufnahme der Brandruine
planet-vienna, das ehemalige ringtheater, Historische Aufnahme der Brandruine
Historische Aufnahme der Brandruine
planet-vienna, Das Suehnehaus um ca. 1920
Das Suehnehaus um ca. 1920
planet-vienna, das ehemalige ringtheater, Der verbrannte Schädel  einer Frau, Exponat im Kriminalmusum
Makaberes Exponat im Kriminalmuseum: Der verbrannte Schädel  einer Frau, die beim
Ringtheaterbrand umgekommen ist.
planet-vienna, das ehemalige ringtheater, Aquarell von Maximilian Neubauer
Ringtheater um 1878, Aquarell von Maximilian Neubauer