Königin
Johanna wurde am 6. November 1479 als drittes Kind von König Ferdinand II. von Aragón und Königin Isabella I. von Kastilien geboren. Emotionale Bindungen zwischen Eltern und Kindern existierten kaum, am Hof wurden strenge Erziehungsmethoden angewendet. Johanna erhielt eine umfassende Bildung: Sie beherrschte mehrere Sprachen und spielte verschiedene Musikinstrumente. Johanna wird in zahlreichen Quellen als ausgesprochen hübsch, sensibel, leidenschaftlich und intelligent beschrieben.
1495 trafen sich Johannas Eltern mit Kaiser Maximilian I., um die Heirat ihrer Kinder zu arrangieren. Johanna sollte Maximilians Sohn Philipp heiraten, während ihr Bruder Johann für Maximilians Tochter Margarete vorgesehen war. Diese dynastische Verbindung diente strategischen Zielen, insbesondere um das Bündnis zwischen Spanien und Habsburg zu festigen und so das verfeindete Frankreich zu isolieren.
Eine symbolisch vollzogene Ehe
1496 fand in Valladolid Johannas Vermählung mit Philipp statt. Weil der Ehegatte sich jedoch in den Niederlanden aufhielt, fand die Heirat „per procurationem“ – per Stellvertreter – statt. Da allerdings nur eine „vollzogene“ Eheschliessung rechtskräftig war, musste der Stellvertreter mit der Braut symbolisch den Beischlaf praktizieren. Dafür griff man auf ein eigenartiges Ritual zurück: Der Stellvertreter legte sein entblösstes Bein unter die Bettdecke der Braut.
Noch im Herbst desselben Jahres reiste Johanna in die Niederlande, um ihren Ehemann zu treffen. Johanna fiel es leicht, ihr zu Hause hinter sich zu lassen. Ihr Verhältnis zur Familie war nach wie vor von Lieblosigkeit und Distanz geprägt, was sie von Kindheit an mit dem Gefühl hinterliess, weder geliebt noch geschätzt zu werden. Zwar verehrte sie ihren Vater, doch gegenüber ihrer Mutter hegte sie einen tiefen Groll.
Im Oktober 1496 traf Johanna in Antwerpen ein, wo sie ihrem Gatten Philipp erstmals gegenüber stand – und sich augenblicklich in ihn verliebte. Die Gefühle waren gegenseitig. Am 20. Oktober wurde in Lille die kirchliche Trauung vollzogen. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr Johanna, was es bedeutete, aufrichtig geliebt und wertggeschätzt zu werden. Das Paar zog nach Brüssel. Hier kam am 15. November 1498 das erste Kind, Eleonore, zur Welt. Zwei Jahre später, am 24. Februar 1500, wurde Karl geboren.
Rasende Eifersucht
Johanna war von krankhaft eifersüchtiger Natur, was sich nicht selten in lautstarken Streitereien mit Philipp und gar Handgreiflichkeiten niederschlug. Meist folgten tränenreiche Versöhnungsszenen. Solches häufte sich allmählich und nahm bald abnormale Ausmasse an. Johanna zog sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Familiäre Umstände haben Johanna mittlerweile in eine ganz besondere Situation gebracht: Durch eine Reihe von Todesfällen wurde sie zur rechtmässigen Erbin eines riesigen Imperiums, das neben Kastilien, Aragón und Neapel-Sizilien auch die neu entdeckten Gebiete in Westindien umfasste.
Nach der Geburt ihrer Tochter Isabella im Juni 1501 reiste Johanna mit Philipp nach Spanien, um den Treueeid der kastilischen Stände entgegenzunehmen. Doch der Aufenthalt bei ihrer tyrannischen Mutter belastete sie schwer. Ihre psychischen Zusammenbrüche häuften sich. Philipp war der einzige, der sie zu beruhigen vermochte – Johannas Verbindung zu ihm war so stark, dass seine blosse Anwesenheit sie zu stabilisieren schien.
Am 19. Dezember 1502 verliess Philipp Kastilien, um in die Niederlande zurückzukehren. Da mittlerweile wieder Krieg mit Frankreich herrschte und die Reise durch feindliches Gebiet führte, wollte Philipp es nicht riskieren, seine erneut schwangere Frau mitzunehmen. Johanna ertrug die Abwesenheit ihres Mannes nicht und fiel in eine tiefe Depression, litt an Schlaflosigkeit, verweigerte die Nahrungsaufnahme. Trotz ihres prekären Zustands brachte sie am 10. März 1503 Ferdinand zur Welt.
Johannas Situation verschlimmerte sich durch das wachsende Zerwürfnis mit ihrer Mutter. Diese kontrollierte jede Handlung Johannas und verwehrte ihr das Verlassen des Schlosses. Die enormen Spannungen gipfelten in einem heftigen Tobsuchtsanfall. Schliesslich willigte die Mutter ein, Johanna im Frühjahr 1504 abreisen zu lassen – jedoch ohne den kleinen Ferdinand.
Am 11. April 1504 kam Johanna in den Niederlanden an, wo sie ihren lang ersehnten Ehemann wiedertraf. Doch sofort setzte erneut die Eifersucht ein, nun in extremer, geradezu zerstörerischer Form. Sie verdächtigte jede Frau in der Nähe Philipps, seine Geliebte zu sein, und versuchte gar, diese mit Messern oder anderen Gegenständen anzugreifen. Ihre Dienerschaft bestand ausschliesslich aus maurischen Sklavinnen mit körperlichen Entstellungen, um Philipp keine Versuchung zu bieten.
Der Tod von Johannes Mutter Isabella im November 1504 veränderte die politische Lage in Kastilien. Isabella hatte in ihrem Testament verfügt, dass ihr Ehemann Ferdinand II. so lange als Regent eingesetzt werden soll, bis Johannas Sohn Karl die Volljährigkeit erreicht. Doch erkannten die kastilischen Adelsstände nur Johanna und Philipp als die legitimen Herrscher an. Nach der Geburt von Johannas fünftem Kind Maria am 17. September 1505 reiste das Paar nach Burgos in Kastilien.
Der Tod Philipps und „Irrfahrt“ durch Kastilien
Ein Jahr später traf Johanna ein harter Schicksalsschlag. Im September 1506 erkrankte Philipp wie angerührt an heftigem Fieber. Angeblich war der Auslöser ein eisgekühltes Getränk, welches Philipp nach einem Ballspiel zu sich genommen hatte. Die mittlerweile wieder schwangere Johanna pflegte ihren immer schwächer werdenden Mann, bis er am 26. September 1506 in ihren Armen starb. Damit verlor sie den einzigen Menschen, dem sie je vertraut hatte. Gerüchte über einen Mordkomplott, der von Ferdinand II. geplant worden sein soll, machten die Runde, erhärteten sich aber freilich nie. Möglicherweise fiel Philipp einer Fieberepidemie zum Opfer, welche zu der Zeit in Spanien nachgewiesen ist.
Philipps Herz wurde nach Brügge gebracht und in der Kathedrale neben seiner Mutter bestattet. Die sterbliche Hülle Philipps wurde Johanna überlassen. In ihrer Verzweiflung verfiel sie einem Wahn. Sie soll wiederholt versucht haben, Philipps aufgebahrten Leichnam aus dem Sarg zu heben, um ihn zu sich in ihre Gemächer zu holen. Noch Wochen nach seinem Tod soll Johanna Philipps Füsse geküsst haben.
Es war Philipps Wunsch, in der Kathedrale von Granada beigesetzt zu werden. Johanna sorgte sich persönlich darum und machte sich mit einem Gefolge und der Leiche ihres Mannes auf den Weg von Burgos nach Granada. Da Ferdinand die Bestattung Philipps in Granada bewusst zu verhindern suchte, verzögerte sich Johannas beschwerliche Reise. So entstand bei der Bevölkerung der Eindruck, dass „Juana la Loca“ mit ihrer morbiden Fracht grund- und ziellos durch Kastilien irren würde.
Gefangenschaft und Tod in Tordesillas
1509 liess Ferdinand II. Johanna und deren Tochter Katharina im Klarissenkloster von Tordesillas festsetzen – dies unter dem Vorwand von Geisteskrankheit, um die Herrschaft über Kastilien an sich zu reissen. Johanna aber blieb trotz ihres Zustandes formal die rechtmässige Königin. So wurden alle politischen Angelegenheiten in Johannas Namen geregelt. Es folgten 45 Jahre Gefangenschaft und Verwahrlosung. Die ersten 15 Jahre in Gefangenschaft teilte Johanna mit ihrer Tochter Katharina.
1524 wurde Katharina aus dem Kloster geholt, weil sie ihren Cousin Johann III. von Portugal heiraten sollte. Mit dieser Trennung hatte Johanna ihren allerletzten Halt verloren. Sie wurde nun von den Ordensfrauen zunehmend vernachlässigt, sie gewährten ihr kaum ordentliche Pflege mehr. Die Gefangene verlauste und vegetierte qualvoll vor sich hin. Am 12. April 1555 starb Johanna im hohen Alter von 75 Jahren an den Folgen einer schweren Verbrühung.
Die Lebensgeschichte von Johanna von Spanien gehört zu den erschütterndsten Schicksalen in der Geschichte der europäischen Herrscherhäuser.