13. Bezirk, Angermayergasse 1

Der Trazerberg in Ober St. Veit ist neben dem Girzenberg und dem Roten Berg einer von drei fast gleich hohen Hügelkuppen im westlichen Hietzinger Bezirksteil und somit einer der topografischen Ausläufer des Wienerwaldes auf Wiener Stadtgebiet. Auf dem Hügelrücken – nahe der steil abfallenden Nordflanke – steht ein in Wien einzigartiges Bauwerk, welches sich der öffentlichen Wahrnehmung weitestgehend entzieht. Es zeigt sich in der Gestalt einer kleinen mittelalterlichen Burg mit Sichtmauerwerk und einem schlanken Turm.

Seine Ursprünge sind ungeklärt. Eine von zwei historischen Herleitungen besagt, dass das Bauwerk um das Jahr 1880 – oder etwas früher – entstanden ist, nachdem am Fuss des Hügels an der heutigen Angermayergasse ein Herrschaftssitz errichtet worden war. Im Jahre 1918 erwarb der ungarischstämmige Textilindustrielle Leopold Blum dieses Haus mitsamt Umschwung, liess das Gebäude modernisieren und zu seinem Familiensitz um- und ausbauen. 1941 wurde Blum von den Nationalsozialisten enteignet, und das Wohnhaus kam in den Besitz eines Flugzeugfabrikanten. In der Nachkriegszeit erhielt die Familie Blum ihren Besitz am Trazerberg zurück und verkaufte ihn in der Folge an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft. Seit 2007 beherbergt der Gebäudekomplex die Akademie für Agrar- und Umweltpädagogik. Das gesamte Gebiet am und auf dem Trazerberg ist nach wie vor Privatgrundstück.
Eine „kleine Burg“ aus dem Mittelalter?

Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass die Ursprünge des festungsartigen Gebäudes auf dem Trazerberg ins Mittelalter zurückreichen und es als Wachposten gedient hatte. Denn einst war das gesamte Gebiet westlich des Trazerberges dicht bewaldet und die Geländekuppe somit ein geeigneter Punkt für Warnsignale Richtung in Sichtweite liegender Stadt Wien im Falle einer Bedrohung vom Wienerwald her. Was diese These stützt, ist die Tatsache, dass die Flurbezeichnung „Trazerberg“ auf einen Schreibfehler zurückzuführen ist, wie der österreichische Heimatforscher Heinrich Weigel weiss. Demnach würde der offizielle Name der Geländekuppe „Grazerbühel“ und sich von der slawischen Bezeichnung „gradec“ – „kleine Burg“ – ableiten, was gemäss Weigel auf eine slawische Besiedlung an dieser Stelle im achten oder neunten Jahrhundert hindeutet. Etymologisch würde es folglich dafür sprechen, dass hier seit alter Zeit eine Befestigung bestanden hat.

Ob der Wachturm auf dem Trazerberg nun ein historisierendes Zierobjekt ohne nähere Funktion ist oder tatsächlich das Überbleibsel eines mittelalterlichen Wachpostens, bleibt bis auf Weiteres nicht vollends geklärt. Die heutige Form des Bauwerks mit seiner loggienartig gestalteten Nordfassade mit zwei toskanischen Säulen ist wohl in neuerer Zeit entstanden, wobei das Mauerwerk aus Bruchstein oder wenigstens Teile davon durchaus auch aus früheren Jahrhunderten stammen könnten.

In einem Dreiviertelrund-Anbau an der Nordwestecke des Bauwerks führt eine linksdrehende Wendeltreppe auf die Aussichtsplattform. An der diagonal gegenüberliegenden Ecke erhebt sich der schlanke runde Turm, dessen Funktion und Zweck im dunklen liegen. Möglicherweise diente er als „Fackel“ für Warnfeuer. Vom Dach des Bauwerks reicht der Blick ins Wiental sowie in der Ferne zum Leopoldsberg und über das Stadtzentrum bis auf die Hochhäuser der Donaucity und östlich bis nach Simmering sowie zum Wienerberg.


