Jesuitenkirche

1. Bezirk, Dr.-Ignaz-Seipel-Platz

planet-vienna, die jesuitenkirche in wien

Nachdem 1630 die Schlacht am Weissen Berg bei Prag gewonnen war und der Jesuitenorden das Evangelium weit über die Grenzen Europas hinaus verbreitet hatte, liess Kaiser Ferdinand II. die Jesuitenkirche als Siegesdenkmal errichten. So bezeugt es die Inschrift an der Aussenfassade: „DEO VICTORI. TRIUMPHATORI OPT. MAX. TROPHAEUM HOC IN MEMORIAM. B. VIRGINIS. MARIAE . SSQ. IGNATII. ET FRANCISCI XAVERII. FERDINANDUS II. IMPERATOR. STATUIT. M. DC. XXVII.“ Auf gut deutsch: „Gott, dem Sieger, dem Triumphator, dem Besten, Grössten, hat Kaiser Ferdinand II. dieses Siegesdenkmal in Erinnerung an die selige Jungfrau Maria und an die Heiligen Ignatius und Franz Xaver im Jahr 1627 errichtet.“

Die mächtige Doppelturmfassade der Kirche dominiert den beschaulichen Dr.-Ignaz-Seipel-Platz, einstmals Universitätsplatz. Das Hauptportal mit gesprengtem Giebel krönt das Wappen Ferdinands II. Die beiden Seitentüren sind 1892 anstelle von Fenstern hinzugefügt worden. Der mittlere Bereich der dreigeschossigen Fassade ist gegliedert durch ein Mittelfenster, zwei kleinere Fenster sowie sechs Nischen mit Statuen. Sie stellen die Heiligen Katharina, Josef mit dem Jesuskind, Leopold, Barbara sowie die beiden Jesuitenpatrone Franz Xaver und Ignatius dar.

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Das ursprüngliche Innere der Kirche war schlicht gestaltet: Es war ein basilikenartiges, 50 Meter langes und 26 Meter breites Langhaus mit einem einfachen Tonnengewölbe und Pilastergliederung. Die acht Seitenkapellen mit Altären verfügten über grosse Fenster, die für reichlich Lichteinfall sorgten. In den Jahren 1702 bis 1705 hielt sich der Südtiroler Jesuitenpater, Maler und Architekt Andrea Pozzo – von Kaiser Leopold I. berufen – in Wien auf. Pozzo wurde mit der Neugestaltung der Jesuitenkirche beauftragt. Er integrierte in jede der acht Seitenkapellen eine Empore, die alle miteinander verbunden sind. Jede von ihnen ragt in einem Halboval ins Langhaus und ist in der Bodenmitte oval durchbrochen.

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Die Altäre in den Seitenkapellen – ursprünglich an den Trennwänden platziert – wurden nun an die Aussenwände versetzt und die Trennwände beidseitig mit grossen Tafelgemälden versehen. Sie zeigen unterschiedliche Genreszenen mit Männern, Frauen und Kindern aus allen Gesellschaftsschichten. Über dem Eingang wurde eine zweigeschossige Orgelempore eingezogen. Um den Lichteinfall durch das grosse Fenster in der Turmfassade nicht zu beeinträchtigen, wurde das obere Emporengeschoss etwas zurückversetzt. Der mittlere Teil des unteren Geschosses ragt, analog zu den Seitenemporen, halboval in den Kirchenraum hinein. Die obere Empore wird von zwei Pfeilern mit Pilastern getragen, auf denen prächtige Steinvasen platziert sind.

planet-vienna, die jesuitenkirche in wien, trompe l'oeil
Die Scheinkuppel

Das Langhaus wird an den Seiten durch mächtige Pfeiler und Säulen mit reich gestalteten Kapitellen gegliedert. Einzigartig in diesem Ausmass und ein besonderes Charakteristikum der Wiener Jesuitenkirche sind die geschwungenen Säulen aus Stuckmarmor. Das Langhaus endet im Chor mit dem monumentalen Hochaltar, hinter dem zwei Fenster Licht einfallen lassen. Der Hochaltar wird von je einer Halb- und einer Vollsäule flankiert, die ein grosses Sprengwerk tragen.

Ein herausragendes Beispiel von Trompe-l’oeil-Malerei

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Das riesige Altarblatt stellt „Mariä Himmelfahrt“ dar und ist von Andrea Pozzo selbst geschaffen. Hoch darüber schwebt eine überdimensionale goldene Krone mit rotem Baldachin, dieser getragen von Engelsfiguren. Als Meisterwerk gelten die Deckenfresken im Langhaus und Chor, die grösstenteils in perspektivisch illusionistischer Malerei (Trompe-l’oeil) ausgeführt sind. Höhepunkt des Programms ist die grosse Scheinkuppel, über der eine Laterne Licht einfallen lässt, und an deren Ende der allmächtige Schöpfer erscheint. Die Tiefenwirkung dieses Gemäldes ist aussergewöhnlich. Eine dunkle Bodenplatte markiert die Stelle, von wo aus die Scheinkuppel ihre beste wirkung entfaltet. Die weiteren Fresken zeigen Szenen zwischen Himmel und Erde, darunten den Engelsturz, den Aufruhr der Engel sowie Szenen aus den Psalmen 112 und 113.

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Das Deckenfresko im Chor über dem Baldachin des Hochaltars zeigt die glorreiche Heimführung der gesamten Schöpfung in die Obhut des dreifaltigen Gottes. Ebenfalls im Besonderen anzuführen sind die reich geschnitzten Kirchenbänke, die kunstvoll gefertigten, mit Intarsien und vergoldeten Aufsätzen versehenen Beichtstühle sowie die überaus opulente Kanzel an der linken Langhausseite. Diese ist mit kostbaren Perlmuttintarsien und vergoldetem Figurenschmuck versehen. Die Hauptfigur auf der Spitze des Schalldeckels zeigt den Jesuitenheiligen Franz Xaver bei der Taufe eines Heiden, darunter finden sich Symbolfiguren für Glaube, Liebe und Hoffnung. Das vergoldete Relief an der Rückwand der Kanzel zeigt die Taufe Jesu, bei den Figuren am Kanzelkorb handelt es sich um die Evangelisten Lukas, Matthäus, Johannes und Markus. Goldene Girlanden und Putti, von denen einer die Gestalt eines kleinen Teufels hat, zieren den unteren Teil des Korbes.

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Die Sakristei

Die in ihrer Gesamtwirkung monumentale Architektur des Innenraums, der hauptsächlich in Ocker- und Fleischfarben gehalten ist, schafft durch die kolossale Säulenordnung im Kontrast zur kleinteiligen Zierde der Emporen- und Gewölbebereiche eine einzigartige optische Spannung. Andrea Pozzo hat mit der Wiener Jesuitenkirche eines in seiner Art so einzigartiges wie herausragendes Gesamtkunstwerk italienisch inspirierten Barocks nördlich der Alpen geschaffen.


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