Aus „Der Obersteiger“ von Carl Zeller
CHOR
So soll’t man leben das ganze Jahr,
So, wie’s die letzten Tag‘ jetzt war.
Nur Lieb‘ und Tanz, von Arbeit frei,
Umsonst der beste Wein, umsonst – juchei!
Das war so schön, das war famos,
Doch jetzt ist’s aus, s’geht wieder los.
Ade Vakanz und Sonnenschein,
Wir fahr’n wieder in die Grube ein.
Fahren wir ein? Ja oder nein?
Das wird das Ende vom Lied wohl sein,
Den Obersteiger erst befragt,
Wir tun nur, was er uns sagt.
MARTIN
So sollt‘ man leben das ganze Jahr,
So wie’s die letzen Tag‘ jetzt war.
In freier Lust, kein Rackerei,
Das macht den Bergmann froh – juchhei!
Wie warm weht nicht der Sonne Schein
Dem Knappen tief ins Herz hinein?
Möcht‘ gern die Sonne immer seh’n –
Glaubt mir, das könnte wohl gescheh’n.
Statt tagelang in Bergesluft,
Hier oben froh in Gottes Lust
Beim Zitherklang sein Mädel dreh’n –
Glaubt mir, das könnte wohl gescheh’n.
Der Bergmann liebt das Wandern,
Und fehlt es ihm an Geld,
Von einem Werk zum andern
Braucht ihn die ganze Welt.
Und wenn er da ein Lieb‘ verlässt,
So hält ihn dort ein schön’res Fest.
CHOR
Ja, das wär‘ ein Leben,
Schöner könnt’s nicht sein.
Doch an Geld fehlt’s eben,
Fahr’n wir wieder ein.
MARTIN
Ich hab‘ kein Passion,
Was hab’n wir denn davon?
Fahr’n wir ein, fahr’n wir aus,
Schaut denn was für uns heraus?
Fahr’n wir aus, fahr’n wir ein,
Wird’s für uns nie anders sein.
Fahr’n wir hin, fahren wir her,
Uns’re Taschen bleiben leer –
Wir lassen uns nicht länger scher’n,
Wir woll’n auch leben wie die Herrn!
CHOR
Wir woll’n auch leben wie die Herrn!
MARTIN
D’rum mein‘ ich, d’rum sag‘ ich,
Und bleibe fest dabei,
Von mir aus, fahr‘, wer will zur Schicht,
Der Obersteiger, der fährt nicht.
Ich sage da drinnen
den Herrn von der Kanzlei –
Weniger Arbeit und mehr Lohn,
Wie wir’s erreichen, weiss ich schon.
CHOR
Weniger Arbeit und mehr Lohn,
MARTIN
Wie wir’s erreichen, weiss ich schon.
CHOR
Wenn es geht, so wird’s getan,
Aber sprich, wie fängst du’s an?
MARTIN
Wenn der Bergmann, der vom Leder,
Sich sein Liebchen setzt auf’s Knie,
Sagt er keck zu ihm: Entweder
Küsse gleich mich oder nie.
Denn beim Lieben und beim Küssen
Rasch zu sein, ist Bergmann’s Art.
Kann der Steiger doch nie wissen,
Ob er heimkehrt von der Fahrt.
Hast du, Schatz, für den Bergmann Platz?
Einen Platz der Liebe wohl im Herzen?
Sagt sie nein, wird sie spröde sein?
Was sagt der Bergmann da?
CHOR
Was sagt er da?
MARTIN
Lass’n wir’s steh’n, lass’n wir’s steh’n,
Dann wird die G’schicht bald anders geh’n.
CHOR
Lass’n wir’s steh’n, lass’n wir’s steh’n,
MARTIN
Wenn der Bergmann von der Feder,
Der nie sah ein Grubenlicht,
Müsst‘ hantier’n, wie von uns jeder
Mit dem hammer in der Schicht.
Wenn er müd‘ vom Bohr’n und Schlagen,
Wieder dann zu Tage fährt,
Möchten wir ihn spöttisch fragen:
Was ist uns’re Arbeit wert?
Doch wohl mehr, als ihr gabt bisher,
Wollt ihr nun die Arbeit höher lohnen?
Sagt er: Nein, fällt mir gar nicht ein,
Was sagt der Bergmann da?
CHOR
Was sagt er da?
MARTIN/CHOR
Lassen wir’s steh’n.
MARTIN
Nun, ihr habt mich wohl verstanden?
CHOR
Ja ja, wir verstanden dich.
MARTIN
Und ihr macht mich nicht zu Schanden?
CHOR
Nein, nein, was auch kommt, zähl‘ auf mich!
MARTIN
Fahr’n wir ein?
CHOR
Nein, nein.
MARTIN
Fahr’n wir aus?
CHOR
Schaut nichts heraus.
Fahr’n wir ein, fahr‘ wir aus,
Schaut nie was für uns heraus,
Wir lassen uns nicht länger scheer’n,
Wir woll’n auch leben wie die Herrn!