Joseph Gungl (auch: Gung’l) wurde am 1. Dezember 1810 im ungarischen Zsámbék geboren. Ursprünglich als Schullehrer tätig, erhielt er während dieser Zeit Musikunterricht beim Leiter des Schulchores und erwies sich als talentierte Oboist. 1835 begab er sich nach Graz, wo er die Stelle des Kapellmeisters des vierten österreichischen Artillerieregiments antrat.
Bereits seine erste Komposition, ein 1836 geschriebener ungarischer Marsch, erregte öffentliche Aufmerksamkeit. Sieben Jahre später gründete Gungl in Berlin sein erstes Orchester, das bald die wichtigsten Tanzsäle der Stadt beherrschte. Als Johann Strauss Vater mit seinem Orchester nach Berlin kam und die Säle mit seinen Wiener Klängen füllte, empfand Gungl dies als ernsthafte Konkurrenz. Gungl unternahm mit seinem Orchester ausgedehnte Konzertreisen, unter anderem nach Russland und Amerika. Sein Orchester soll das erste gewesen sein, welches Felix Mendelssohns „Sommernachtstraum“ vollständig aufgeführt hat.
1853 wurde Gungl zum Kapellmeister des 23. Infanterieregiments in Brünn ernannt. Ab 1864 lebte er in München, wo er mit seiner 18 Mann starken Kapelle fast täglich im Englischen Café am Lenbachplatz auftrat. Das Orchester erlangte in der Bevölkerung den Spitznamen „Die Gungl“. Nach erfolgreichen Konzerten am Covent Garden in London zog er 1876 nach Frankfurt. Später lebte er in Weimar mit seiner Tochter Virginia Naumann-Gungl, eine bekannte Opernsängerin. Sie wara m dortigen Hoftheater als Primadonna engagiert. 1887 stand Gungl zum letzten Mal am Dirigierpult – an einem Konzert der Kurkapelle von Bad Reichenhall, welche unter der Leitung eines nahen Verwandten Gungls stand. In Weimar verstarb Joseph Gungl am 31. Januar 1889 im Alter von 78 Jahren. Er wurde hier im Rahmen einer einfachen Begräbnisfeier ohne Zeremonie beigesetzt.
Joseph Gungl hinterliess der Nachwelt ein umfangreiches Oeuvre von rund 436 Kompositionen, darunter Walzer, Polkas und Märsche. Zu seinen bekanntesten Werken gehört der grosse Konzertwalzer „Träume auf dem Ozean“. Franz Liszt schuf eine Transkription von Gungls ungarischem Marsch. Seine Kompositionen zeichnen sich durch eine ähnliche Leichtigkeit und Beschwingtheit wie die Werke von Johann Strauss Sohn aus, was ihm einen Platz in der Liste namhafter Komponisten der leichten Wiener Klassik sichert. Dennoch ist Joseph Gungl heute weitgehend in Vergessenheit geraten.