Die 1146 erstmals erwähnte Pfarre von Lanzenkirchen war bis zum Jahr 1200 Mutterpfarre der Region im südlichen Wiener Becken. Danach erhielt Wiener Neustadt das Pfarrrecht. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Bau der heutigen Domkirche als romanische Pfeilerbasilika begonnen haben, der rund 80 Jahre dauerte. Am 27. März 1279 wurde die neue Pfarrkirche unter dem Patronat der hl. Jungfrau Maria und dem hl. Rupert eingeweiht. Das Gotteshaus bestand damals aus dem Langhaus und den Doppeltürmen.
Im 14. Jahrhundert wurde die romanische Apsis mit drei Apsiden zurückgebaut und an ihrer Stelle ein gotischer Chor und ein Querschiff errichtet sowie eine Sakristei angebaut. Ab 1469 war das Gotteshaus Bischofskirche, wobei der Wirkungsradius der Bischofs sich auf das Wiener Neustädter Stadtgebiet beschränkte. Bildhauer Lorenz Luchsperger (gest. 1501) fertigte für die Domkirche 12 bemerkenswerte überlebensgrosse Apostelfioguren mit ausdrucksstarken Charakterköpfen an, die je auf einer Konsole an den Pfeilern im Hautschiff stehen. Im ausgehenden 16. Jahrhundert drohte, der lutheranische Glaube in Wiener Neustadt Überhand zu nehmen. Der reaktionäre und streng den katholischen Glauben verteidigende Wiener Bischof und Administrator des Bistums Wiener Neustadt Melchior Khlesl wurde deshalb nach Wiener neustadt beordert, wo er die Ausbreitung des lutheranischen Glaubens vehement und erfolgreich zurückschlug. Khlesl stiftete die Kanzel, die auf einer massiven Säule ruht und von einem figurenbekrönten Schalldeckel überdacht wird. Im Chor ist ein Epitaph für ihn in die Mauer eingelassen. Der barocke Hochaltar aus Maiersdorfer Marmor, Figuren von Gabriele Molinarola und einem Altarblatt (Mariae Himmerlfahrt) von Gianbettino Cignaroli wurde 1776 errichtet.
Um 1785 wurde das Bistum Wiener Neustadt nach St. Pölten verlegt. Wiener Neustadt wurde zur Probsteipfarre. Im 19. Jahrhundert waren die 64 Meter hohen Doppeltürme baufällig geworden. Sie wurden um 1892 abgetragen und unter der Leitung des Architekten Richard Jordan nach den Originalplänen neu errichtet. Eine Gesamtrenovatoin des Wiener Neustädter Doms ist 1999 abgeschlossen worden.
Das bemerkenswerte romanische Hauptportal an der Turmfassade entstand mit der ersten Bauphase im 13. Jahrhundert Die beiden Türme tragen achteckige Helme ganz aus Stein, was ihnen ein besonders markantes und Massives Erscheinen verleiht. Sie sind das Wahrzeichen von Wiener Neustadt. Die Fenster des im 14. Jahrhundert hinzugefügten Chors und des Querschiffs verloren im Laufe der Zeit durch Umbauten ihre kunstvolles Masswerk. Die prächtigen original gotischen Glasfenster, sich sich einst in den später zugemauerten Fenstern des Chorraums befanden, sind heute in Museen in Graz, Wien, Berlin, Nürnberg, Glasgow und New York ausgestellt. Im Hauptschiff wurde im Lauf der Jahrhunderte viel von der gotischen Ornamentik entfernt. Einzig das Gewölbe blieb unverändert. Nur die Fenster der Nebenchöre weise noch Masswerk auf, so auch die Kaiserempore.
Der Wiener Neustädter Dom – auch Liebfrauendom genannt – ist ein rundum höchst eindrucksvolles Bauwerk und vermittelt trotz des Stilgemischs von Romanik, Gotik und Barock einen einheitliches Bild und strahlt pure Erhabenheit aus. Blickt man vom Westende des Hauptschiffs Richtung Hochaltar, stellt man fest, dass der Chorraum und somit der Hochaltar gegen Süden von der Symmetriegeraden versetzt ist. Dieser Knick in der Achse entstand durch den Bau des gotischen Chors und des Querschiffs.
Neben den bereits erwähnten 12 Aposteln schmücken weitere wertvolle Bildhauerarbeiten das Innere des Doms. So eine Verkündigungsgruppe am vorderen Ende des Hauptschiffs (Erzengel Gabriel, Maria Muttergottes) sowie ein Schmerzensmann von Thomas Strayff (um 1472) am ersten Pfeiler auf der linken Seite. Eine höchst qualitätvolle Holzskulptur des gemarterten St. Sebastian am zweiten Pfeiler rechts ist keinem Künstler zuzuordnen. Die prächtige frühbarocke Nischenbüste an der rechten Chorwand zwischen dem reich geschnitzen Chorgestühl und dem Hochaltar, die Melchor Khlesl zeigt, wird dem grossen Italienischen Barockarchitekten Gian Lorenzo Bernini zugeschrieben. Die Barockisierung des Doms ist eher dezent vollzogen worden, da die Seitenaltäre in den Seitenschiffen stehen und sich dem Blickfeld des Betrachters vorerst entziehen. Einzig der Hochaltar zeugt auf Anhieb von der Neugestaltung im 18. Jahrhundert.