1. Bezirk, Bäckerstrasse 9

Hinter der Türfront des Café Alt Wien vermutet man eher eine düstere Kneipe als ein Kaffeehaus. Und so eine findet man da eigentlich auch in der Tat vor. Und trotzdem war es immer ein Kaffeehaus, bis zum heutigen Tag. Seine Geschichte ist aber viel jünger als es das Interieur suggeriert, obschon die Wurzeln des Café Alt Wien in die 30er-Jahre zurückgehen. Damals nämlich hoben Leopold und Josefine Hawelka – einen Tag nach ihrer Hochzeit – das Café Alt Wien an der Bäckerstrasse aus der Taufe. Doch schon nach drei Jahren verlegte das Ehepaar den Betrieb wegen des zu hohen Kaufpreises an einen neuen Ort: An der Dorotheergasse liessen sie sich nieder und führten dort fortan ihr später zur Legende gewordenes Café Hawelka.

In den Räumen an der Bäckerstrasse blieb in der Folge zwar stets ein Gastrobetrieb einquartiert, doch war es eher eine verrauchte Szenekneipe, die vornehmlich von Nachtgestalten frequentiert wurde. Doch als in den 70er- und 80er-Jahren immer mehr Wiener Grössen aus Literatur, Schauspiel und Kulturszene das Café Alt Wien für sich entdeckten, erwarb sich das Lokal bald den Status eines mehr oder weniger echten Wiener Kaffeehauses. In den 80ern wurde das Café so hergerichtet, wie es sich heute noch präsentiert – mit altem, abgesessenen Mobiliar aus einem anderen Kaffeehaus. Das junge Alt Wien wurde demzufolge in ein echtes altes Kleid gezwungen.

Die „künstliche“ Patina ist mittlerweile jedoch echt und authentisch geworden, und das Café Alt Wien hat Kultstatus. Seine Schummrigkeit bietet Tageslichtscheuen Menschen einen Hort. Dennoch geht es hier erst nach Sonnenuntergang so richtig lebendig zu und her. Laut und stickig wird es in den Abendstunden nämlich im Alt Wien, und man trifft hier stets auf einen Haufen von Individualisten.. Mit den Kugelleuchten, dem abgetretenen Boden und dem angekratzten Mobiliar besitzt das Kaffeehaus, welches über eine stadtweit bekannte Küche verfügt, einen unverwechselbaren Charme. Die zahllosen Plakate aus der Szene tragen das Ihrige dazu bei.