3. Bezirk, ehem. Jacquingasse 18
In den Jahren 1894/95 beauftragte der vermögende Schriftsteller und Kunstmäzen Karl Graf Lanckoronski die renommierten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer mit dem Bau eines grossen Palais samt Garten. Zu dieser Zeit war der Landstrasser Gürtel noch eine neue, überwiegend von spätgründerzeitlichen Wohnbauten geprägte Strasse. Das imposante Palais Lanckoronski an der Ecke Jacquingasse stellte hier eine bemerkenswerte Ausnahme dar.
Der polnischstämmige Karl Graf Lanckoronski (1848–1933) war eine herausragende Persönlichkeit seiner Zeit. Als leidenschaftlicher Denkmalpfleger, Kunstsammler und Förderer zahlreicher Künstler genoss er in der Gesellschaft grosses Ansehen. Seine weitreichenden archäologischen Reisen und philanthropischen Projekte, wie die Gründung des Mädchen-Rekonvaleszenzheims Faniteum in Ober St. Veit, unterstrichen sein soziales Engagement. Lanckoronski hatte zuvor das Stadtpalais Montecuccoli und danach das Palais Esterhazy an der Riemergasse bewohnt, ehe er sich entschied, ein eigenes Palais für die Familie und die umfangreiche Kunstsammlung errichten zu lassen.
Das Palais Lanckoronski war ein kultureller Mittelpunkt Wiens, wo die Elite der Kunst- und Wissenschaftswelt regelmässig zusammenkam, um zu diskutieren und sich mite der lanckoronskischen Kunstsammlung auseinanderzusetzen. Diese Sammlung, die damals die grösste öffentlich zugängliche in Wien war, zog Interessierte aus nah und fern an.
Bombenschäden und Abriss
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verliess die Familie Lanckoronski Wien und zog in die Schweiz. Viele Kunstschätze wurden nach Schloss Hohenems gebracht, doch ein Brand zerstörte einen Grossteil der Sammlung. Nach der Besetzung Wiens durch die Nationalsozialisten wurde das Palais von der SS beschlagnahmt. Aufgrund der Nähe zum Südbahnhof war das Gebäude stark gefährdet und wurde 1944 durch Bomben schwer beschädigt. Nach Kriegsende folgten Plünderungen und Brandstiftungen, die das Palais weiter zerstörten.
Der Unterhalt und die Pläne für eine Wiederinstandsetzung des Palais sprengten jedoch den finanziellen Rahmen bei weitem, worauf die Ruine um 1960 abgetragen wurde. In den Jahren 1965 bis 1967 wurde an derselben Stelle ein moderner Bau für den Schweizer Pharmakonzern Hofmann La Roche errichtet. Heute beherbergt das Gebäude unter anderem einen Hotelbetrieb. Was von der Kunstsammlung übrig geblieben ist, wurde einerseits an die Londoner National Gallery verkauft oder dem Polnischen Staat geschenkt. Dieser Teil ist im Wawel in Krakau ausgestellt.
Kostbare Raumausstattungen
Das Palais war ein eindrucksvoller neobarocker Bau mit markanter Pilastergliederung. Es verfügte über zwei Hauptgeschosse und eine Dachetage, war leicht von der Strasse zurückgesetzt und von einem Vorhof mit Mauer und zwei Toren umgeben. Der halbrund hervortretende Mitteltrakt prägte das Gesamtbild des Gebäudes. Zentrum des Palais war die zweigeschossige Eingangshalle mit edlen Holzvertäfelungen, Familienporträts, Werken alter Meister und wertvollen Gobelins. Eine reich geschnitzte Treppe führte in die obere Etage, wo der grosse freskierte Festsaal der herausragendste Repräsentationsraum war. Von dort aus gelangte man zu den Kunstsammlungen und den privaten Salons des Grafen.
Die Prunkräume des Palais waren reich ausgestattet mit Malereien, Tapisserien aus dem 17. Jahrhundert, kunstvollen Stuckaturen, Boiserien, Skulpturen, exquisiten Möbeln und Gemälden berühmter Meister. Zu den wertvollsten Stücken der Sammlung zählten drei Werke Rembrandts: „Die Judenbraut“, „Brautvater“ und „Petrus“. Heute ist der Name Lanckoronski nahezu in Vergessenheit geraten, doch das Palais und seine legendäre Kunstsammlung bleiben ein bedeutendes Kapitel der Wiener Kulturgeschichte.