1. Bezirk, Salvatorgasse 5

Die Salvatorkapelle gehört zu den ältesten Sakralbauten Wiens und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Errichtet wurde sie vor 1298 von der Bürgerfamilie von Neuburg als private Hauskapelle. Die Stifter, vermutlich die Brüder Otto und Haimo, waren bekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit. Ritter Otto stand in Opposition zu Herzog Friedrich dem Schönen von Österreich und wurde aufgrund seiner Teilnahme an einem Aufstand gegen diesen geächtet.

1361 wurde die Kapelle erweitert und am 14. November desselben Jahres erneut geweiht. Im Volksmund des 14. Jahrhunderts war sie als „Liebfrauenkapelle“ bekannt, während im frühen 16. Jahrhundert die Bezeichnung „Ottenhaymkapelle“ gebräuchlich wurde. Diese Benennung ging auf die Stifter Otto und Haimo zurück, deren Verehrung jedoch später als Ketzerei angesehen wurde. Im Jahr 1515 ordnete Papst Leo X. an, die Kapelle nach dem hölzernen Standbild des heiligen Salvator zu benennen, das um 1459 im Hochaltar eingesetzt worden war.
Das seit 1373 an der Nordseite der Kapelle anschliessende Gebäude, das alte Rathaus, wurde im Zuge einer umfassenden Erweiterung in die Kapelle integriert. Dabei entstand ein zweischiffiger Kirchenraum, der durch Arkadenbögen unterteilt ist. Der neue Raumteil ist deutlich höher als der ursprüngliche, so weist die Kapelle eine ungewöhnliche Struktur auf.

Nach mehreren Umbauten des alten Rathauses im 17. Jahrhundert wurde die Salvatorkapelle ein integraler Bestandteil dieses Gebäudekomplexes. Auf der Seite Salvatorgasse befindet sich ein kulturhistorisch bedeutendes Portal im deutschen Renaissancestil aus dem Jahr 1520. Es trägt die Inschrift „Consecrat Salvatori Nostro Jesu Christo“ und ist mit den Namen der Stifter Otto und Haimo versehen. Die Reliefdarstellungen am Bogen zeigen die Kirchenpatrone St. Salvator und Maria. Das Portal ist das herausragendste Bauelement der Salvatorkapelle.
Ein Querschnitt durch die Baustile

Das Innere der Kapelle ist geprägt von seiner ungleichen Raumstruktur. Das höhere Schiff ist rein gotisch gestaltet, während das ältere, niedrigere Schiff breiter ist und stilistisch ins Mittelalter verweist. Die Ausstattung der Kapelle stammt überwiegend aus dem 18. Jahrhundert und ist dem spätbarocken Stil zuzuordnen. Dazu gehören die beiden Hochaltäre in den Kirchenschiffen und die Tür zur Sakristei. Das Gemälde des Altares im nördlichen Kirchenschiff stammt von einem älteren Altar und zeigt die Kreuzigung Christi. Über dem Tabernakel zeigt sich das Lamm Gottes, und im Bogenscheitel der Heilige Geist in der Gestalt der Taube.

Der Hochaltar im Südschiff weist bereits frühklassizistische Züge auf. Sein zentrales Gemälde zeigt Christus mit einem Erdball in den Händen als Erlöser der Welt („Salvator Mundi“), während Gottvater in klassischer Darstellung mit weissem Bart in den Wolken thront. Die Kanzel im Nordschiff, eine private Stiftung aus dem Jahr 1765, zeigt ebenfalls frühklassizistische Elemente. Die Orgel auf der Empore im nördlichen Schiff ist von historischer Bedeutung: Es handelt sich um eine Kleinorgel mit sechs Registern und einem Manual aus der frühen zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Instrument ist im Laufe der Zeit allerdings mehrfach umgebaut worden.

Die Salvatorkapelle erlitt während des Zweiten Weltkriegs erhebliche Schäden, die jedoch über Jahrzehnte hinweg von der Stadt Wien systematisch behoben worden sind. Die Entwicklung von der ursprünglich hochmittelalterlichen Hauskapelle zur heutigen Salvatorkapelle ist an der Raumaufteilung und den stilistischen Unterschieden bis heute eindrücklich ablesbar. Die Kapelle ist meist geschlossen, der Zugang erfolgt über den Hof des alten Rathauses. Das Renaissanceportal an der Salvatorgasse wird kaum noch genutzt. Seit 1871 ist die Salvatorkapelle Bischofskirche der Altkatholischen Kirche Österreichs.
