3. Bezirk, Mohsgasse 1 / Jacquingasse 47
Im Jahre 1897 entstand im Fasanviertel an der Ecke Mohs-/Jacquingasse nach Plänen von Armand Louis Bauqué und Albert Pio ein repräsentatives Wohnpalais. Auftraggeberin war Gabriele Fürstin von Wrede (1851-1923). Die in Graz geborene Adlige entstammte der Grafenfamilie Herberstein. 1879 ehelichte sie Nikolaus Fürst von Wrede, Diplomat und ranghoher Militär bei der k.k. Armee. Fürstin Wrede war der Kunst und Literatur sehr zugetan, verbrachte ihre Zeit häufig mit dem Verfassen von Texten und Gedichten.
Im Jahre 1902 stand das Palais Wrede im Zentrum eines delikaten Gerichtsfalles, der bis über die Grenzen der Monarchie durch die Medien ging. Der damals 40-jährige Joseph Grosslicht war Bediensteter im Hause Wrede. Jahre zuvor hatte er sich wiederholt des Diebstahls schuldig gemacht, schien jedoch durch Anstellungen bei unterschiedlichen Herrschaften und den damit einhergehenden regelmässigen Lebenswandel zu Rechtschaffenheit zurückgefunden zu haben. Schliesslich aber wurde ihm seine Stelle im Palais Wrede gekündigt, wonach Grosslicht keine neue Beschäftigung mehr fand. Da seine Frau krankheitshalber arbeitsunfähig und hospitalisiert war, geriet der Arbeitslose in eine ernste Notlage und wurde obdachlos.
Erfolgloser Bestechungsversuch
Als einzigen Ausweg sah er einen Einbruch bei seiner letzten Arbeitgeberin, da er sich in deren Haus bestens auskannte. Über eine Leiter drang er in den Hof ein und verschaffte sich Zutritt zum Schreibzimmer der Fürstin im ersten Stock. Dort nahm er eine Brieftasche mit 2100 Kronen an sich. Als er wieder zurück über die Mauer klettern wollte, wurde er von einem Wachmann bemerkt. Grosslicht sprang zurück in den Hof, flüchtete durch ein Fenster im Mezzanin durch die dortigen Salons und verliess das Palais auf der Seite zur Jacquingasse. Dummerweise traf er da just auf einen Mann, der ihn von früher her kannte, als sie beide gleichzeitig beim selben Bestattungsunternehmen gearbeitet hatten. Grosslicht drückte dem verdutzten Mann hundert Gulden Schweigegeld in die Hand und rannte davon. Der Bestochene jedoch ging zur Polizei, die sich auf die Suche nach dem Dieb machte. Dieser ist auf der Landstrasse mittlerweile unter falschem Namen abgestiegen, konnte aber dennoch zwei Tage später ausfindig gemacht werden. Er wurde zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt.
Das spätistoristische Wohnpalais Wrede ist im Jahre 1910 auf Auftrag der Fürstin erweitert worden. Das ursprüngliche Erscheinungsbild des Gebäudes lässt sich heute nur noch erahnen, zumal die Fassadenzier der obersten zwei Geschosse weitgehend verloren gegangen ist. Wo sie noch vorhanden ist, tragen die Fenster waagrechte Verdachungen. Auf Seite Jacquingasse tragen drei von ihnen Segmentgiebel, was der verbliebenen, gebänderten Fassade einen Akzent verleiht. Auf Seite Mohsgasse ist ein einziger einachsiger Balkon vorhanden. Das einstige Hauptportal ist entfernt worden. Vermutlich ist das Palais Wrede im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden, so wie der Grossteil des Fasanviertels.