„Palais Rappaport“
4. Bezirk, Plösslgasse 8

Neben seinem monumentalen Palais in der Theresianumgasse liess sich der Bankier Nathaniel Rothschild um 1878 in der nahegelegenen Plösslgasse ein weiteres, kleineres Palais nach Plänen des Architekten Viktor Rumpelmayer errichten. Bereits ein Jahr nach Fertigstellung ging das Haus in den Besitz von Friedrich Carl Graf Kinsky über und wurde – ebenfalls durch Rumpelmayer – um einen Trakt erweitert.

Kinsky wiederum verkaufte die Liegenschaft 1887 für 90’000 Gulden an den polnischstämmigen Advokaten und vielseitigen Funktionären Arnold Chaim Rappaport (auch: Rapoport) Edler von Porada (1840-1907) und seine Gattin Laura geb. Eibenschitz. Nach dem Tod des Hausherrn ging der Besitz an seinen Sohn Alfred über, ein Grossindustrieller. In der Wiener Presse wird erwähnt, dass in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg ein Mendel Lagstein zu einem Drittel Mitbesitzer des Palais war. Lagstein wurde 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet. 1838 floh Alfred Rappaport als zwar evangelisch Getaufter, doch Jüdischstämmiger aus Österreich. Gemeinsam mit seinen beiden Töchtern Edith und Hildegard emigrierte er via Frankreich in die USA. Alfred Rappaport starb 1962 in New York.
Die verschwundene goldene Handtasche
Die delikate Geschichte eines Zufalls steht mit dem Palais Rothschild eng in Verbindung: Im Jahre 1912 herrschte grosse Aufregung im Haus, als eine überaus kostbare Damen-Handtasche im Wert von mehreren Tausend Kronen plötzlich vermisst wurde. Das Prachtstück bestand aus Gold und Platin, war an seinen Verschlussbügeln mit funkelnden Brillanten besetzt und mit einer schweren goldenen Tragkette versehen. Das Verschwinden war höchst rätselhaft, gab es doch weder einen Einbruch noch irgend jemanden, den man hätte verdächtigen können. Das Ehepaar Rappaport sah aus diesem Grund von einer polizeilichen Anzeige ab.
Schliesslich nahmen die Rappaports den teuren Verlust zur Kenntnis und verfolgten die Suche nach der Handtasche nicht weiter, denn just in diesem Jahre waren sie mit einer umfassenden Neueinrichtung ihres Palais beschäftigt, was mit viel Zeitaufwand und Planungsarbeit verbunden war. Die Rappaports hatten von der Möbelfirma Müller am Einsiedlerplatz leihweise Möbel bezogen für den Zeitraum bis zur Fertigstellung des Neueinrichtungkonzeptes. Nach Lieferung und Installation der Neumöblierung gingen die Leihstücke an die Firma Müller zurück. Der Verlust der Handtasche geriet bald in Vergessenheit.
Elf Jahre später, im März 1923, berichteten Wiener Medien von einem Sensationsfund: In einem alten Fauteuil, der im Magazin der Firma Müller vor sich hin verstaubte, wurde eine wertvolle Handtasche gefunden – eingeklemmt zwischen Sitzpolster und Seitenlehne. Nach so langer Zeit wusste kein Mensch mehr, wem sie gehörte. Über die Zeitung erfuhren die Rappaports davon, worauf sie die Tasche beim Fundamt als ihr Eigentum reklamieren konnten. Ihr Wert war in all den Jahren um ein Vielfaches gestiegen, und durch die „schonenede“ Verwahrung zwischen den Polstern hat sie sich in einem Bestzustand erhalten.
Eine finstere Episode in der Geschichte des Hauses
Im Jahre 1940 dürfte das Palais „arisiert“ worden sein. 1941 hatte im Haus kurzzeitig das Brasilianische Konsulat seine Büros. Die Jahre unmittelbar nach Ende des Krieges waren ein düsteres Kapitel für das Palais: Im Januar 1950 verbreiteten Medien eine Meldung des amerikanischen Nachrichtendienstes, welche von einem russischen Geheimgefängnis auf der Wieden berichtete. Die Meldung nannte die Adresse Plösslgasse 2, was jedoch nicht stimmen konnte, denn zu jenem Zeitpunkt war das betreffende Gebäude noch immer eine ausgebrannte Ruine.

Als sich darauf ein Betroffener als Gewährsmann bei den Zeitungen meldete, welcher über ein Jahr lang in besagtem Geheimgefängnis in russischer Haft sass, stellte sich heraus, dass sich die Einrichtung im Palais Rothschild befunden hatte. Gemäss Aussagen des Gewährsmannes waren die Haftbedingungen unmenschlich. Die Kellerräume waren zu engen und hermetisch abgeriegelten Zellen umfunktioniert worden. In den ehemaligen Prunkräumen der Beletage fanden die Verhöre statt. Inhaftiert wurden hier unter anderem Menschen, die von den Russen der potentiellen Spionage bezichtigt wurden, die Besatzungsmacht kritisierten oder diese in den Augen der Russen auf irgendeine Weise schädigen wollten. Es diente zudem als Sammelort flüchtiger russischer Staatsbürger, die im Westen Österreichs durch Spitzel aufgegriffen und nach Wien zurückgebracht worden waren.
Viele der Häftlinge kamen lediglich für ein Initialverhör ins ehemalige Palais und wurden im Anschluss entweder ins Zentralgefängnis nach Baden gebracht – oder direkt nach Sibirien. Der gesamte Gefängnisbetrieb, welcher unter der Leitung eines sowjetischen Hauptmannes namens Theodor Fuchin gestanden haben soll, verlief höchst diskret ab, den direkten Anwohnern jedoch entging nicht, was ich hier abspielte. Gegen Jahresende 1949 wurde das russische Geheimgefängnis auf der Wieden verlegt, worauf das Palais Rothschild für längere Zeit leerstand. Heute ist es Eigentum einer Militärstiftung und beherbergt hauptsächlich Firmenbüros.
Eine vollständig genutete Fassade

Das zweigeschossige, späthistoristische Palais mit sechs Fensterachsen hebt sich mit seiner flächendeckend genuteten Fassade mit barockisierendem Dekor optisch von den Nachbarbauten ab. Besonders aufwendig gestaltet sind die Fenster der Beletage, die mit markanten Verdachungen und reich verziertem Sturzdekor versehen sind. Über dem schlanken, rechtsseitigen Portal liegt ein geschwungen auskragender Balkon mit schmiedeeisernem Geländer. Die Fassade wird durch ein Konsolgesims und eine Attika nach oben hin stilvoll abgeschlossen.