Palais Goldschmidt

1. Bezirk, Schottenring 25

planet-vienna, das palais goldschmidt am schottenring in wien

Das markante Gebäude an der Ecke Schottenring/Deutschmeisterplatz ist ein auffallend gestalteter Gründerzeitbau. Errichtet wurde das Gebäude im Jahre 1879 im Auftrag von Karl Goldschmidt (1832-1902) nach Plänen von Wilhelm Stiassny. Der einer jüdischen Familie aus dem heute burgenländischen Deutschkreutz entstammende Bauherr war Miteigentümer einer Textilhandelsfirma, welche er gemeinsam mit seinem Schwager betrieb. Durch den Grosshandel und Heirat zu einem grossen Vermögen gekommen, liess Goldschmidt sein Ringstrassenpalais entsprechend aufwendig gestalten.

Bereits die Fassade ist aussergewöhnlich: Neben der Ortsteinquaderung über alle fünf Etagen hinweg, dem ausgeprägten Zahnfries am Dachgesims und der Rustizierung der unteren beiden Stockwerke ist insbesondere der dreiachsige, von vier vollplastischen Atlanten getragene Balkon über dem toskanischen Säulenportal hervorzuheben. Diese einzigartig ausgeformten Figuren sind nicht – wie man auf den ersten Blick annehmen mag – der griechischen Mythologie entlehnt, wie so viele andere figürliche Zierde in Wien. In diesem Fall handelt es sich um biblische Propheten, unter denen der Atlant ganz links unverkennbar als Moses zu identifizieren ist. Die restlichen drei Figuren sind nicht genauer bestimmbar, aber es ist davon auszugehen, dass sich die jüdische „Ikonografie“ bei ihnen fortsetzt.

planet-vienna, das palais goldschmidt am schottenring in wien, die atlanten an der fassade

Dieses ausgeprägt biblisch-jüdische Thema als Fassadengestaltung geniesst in der Kaiserstadt Einzigartigkeit, zumal die Wiener Juden ihren Glauben selten so deutlich sichtbar in der Architektur ausdrückten. Goldschmidts jüdisches Selbstbewusstsein schlug sich nicht zuletzt auch darin nieder, dass er Stiassny mit dem Hausbau beauftragte – der Architekt war ebenfalls Jude. Goldschmidt war nicht nur kunstsinnig und ein leidenschaftlicher Sammler, sondern auch mäzenatisch und karitativ unterwegs. Er gründete eine Stiftung, mit welcher bedürftige jüdische Familien Hilfe erhielten. Nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich 1938 erging es dem Palais Goldschmidt wie fast allen anderen Gebäuden im jüdischem Besitz – es wurde „arisiert“. Bis zum Kriegsende war hier der NS-Lehrerbund untergebracht. Es ist eine glückliche Fügung, dass das Gebäude unmittelbar nach Kriegsende wieder in jüdischen Besitz zurückgeführt werden konnte: Seit 1945 bis heute gehört es der Israelitischen Kultusgemeinde.

planet-vienna, das grab von carl schwarzmann auf dem zentralfriedhof
Das Goldschmidt-Grab auf dem Zentralfriedhof

Nicht minder erwähnenswert wie die Fassadengestaltung ist das Innere des Palais. Vom pilastergegliederten Vestibül mit stuckierter Kassettendecke führt eine aussergewöhnlich reich gestaltete Stiege weg. Es handelt sich um eine dopplarmige Treppenanlage mit Marmorläufen auf Balustraden und Stuckaturen im Neorokokostil. Die Wände sind mit kostbarem Stuckmarmor verkleidet. Die Wohnung der Beletage hat sich weitgehend im ursprünglichen so genannten „alt-deutschen Stil“ erhalten. Hervorzuheben sind dabei vor allem die Tür- und Spiegelgestaltungen sowie die kostbaren Kassettendecken, diejenige im mittleren Salon mit Gemälden, die Jahreszeiten darstellend. Ein Kamin aus schwarzem Marmor und eine Stuckdecke in einem weiteren Salon gehören ebenso zur wertvollen Innenausstattung der Beletage.