4. Bezirk, ehem. Prinz Eugen-Strasse 20-22

Salomon Rothschild, der Nachfahre vom jüdischen Wechselhändler Meyer Amschel Rothschild aus dem Frankfurter Ghetto, ist in Wien durch viel Geschick zum bedeutendsten Financier und dadurch zu einem unermesslich reichen Mann geworden. Baulich war es ihm jedoch nicht möglich, sich in der Stadt zu repräsentieren, da es Juden nicht erlaubt war, Gebäude zu errichten. Erst seinen beiden Nachkommen Nathaniel und Albert war es erlaubt, Eigenheime zu erbauen. Nachdem sich Nathaniel ab 1871 an der Theresianumgasse ein Palais hatte errichten lassen, begannen auf dem benachbarten Grundstück an der Prinz Eugen-Strasse die Bauarbeiten für ein Wohnpalais für Nathaniels jüngeren Bruder Albert, welcher die Leitung des Bankhauses Rothschild übernommen hatte.

Der französische Architekt Gabriel-Hippolyte Destailleur Destailleur entwarf einen riesigen Wohnpalast im Stil der für Wien ungewöhnlichen französischen Neorenaissance. Der ängstliche Albert wünschte einen sicheren Abstand von der Strasse her und Schutz vor möglichen Eindringlingen. So war der grosse Ehrenhof mit einem hohen massiven Eisenzaun gegen die Strasse hin abgeschlossen. Von hier aus gesehen erweckte der Palast den Eindruck einer Trutzburg. Das Innere des Palais war mit einer atemberaubenden Fülle an Pracht und Kunst ausgestattet. Die Räume waren aussergewöhnlich gross und verschwenderisch. Allein der Tanzsaal zählte sich in Wien zu den grössten im privatem Kreise. Zahlreiche Feste und Bälle hat das Haus gesehen. Alberts Ehefrau Bettina starb im März 1892 an einer Krankheit, worauf Albert nicht mehr geheiratet hat. Er hatte lediglich eine Beziehung zu Helene Odilon, der früheren Frau des grossen Wiener Volksschauspielers Alexander Girardi. Albert Rothschild starb 1911, sein Nachkomme war Louis Rothschild.

Die Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre trieb auch das Bankhaus Rothschild in finanzielle Nöte, worauf Louis gezwungen war, in ein bescheideneres Haus in der Nachbarschaft zu ziehen. Das Palais an der Prinz Eugen-Strasse stand leer. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland wurde Louis Rothschild am Flugplatz Aspern festgenommen und im berüchtigten Hotel Metropol am Morzinplatz gefangen gehalten. Gegen die Zahlung grosser finanzieller Beträge an Heinrich Himmler konnte sich Louis freikaufen und fliehen. Sein Palais wurde „arisiert“ und beherbergte fortan die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, welches später bloss eine beschönigende Bezeichnung war für die Koordination für die Deportationen der österreichschen Juden in die Vernichtunslager im Osten. Die Leitung hatte Adolf Eichmann inne.

Die Bombenangriffe von 1944 fügten dem Palais Albert Rothschild Schäden zu, welche allerdings nicht vergleichbare Ausmasse hatten wie diejenigen am Palais seines Bruders. Das Haus war durchaus weiterhin bewohnbar und diente nach dem Krieg als Unterkunft der sowjetischen Besatzungsmächte. Louis Rothschild hatte keine Pläne, das Bankhaus wieder zu eröffnen, und niemand interessierte sich für den Prachtbau, was das Schicksal dessen besiegelte. Das Interieur wurde im Jahre 1955 zu Spottpreisen verkauft und danach das prachtvolle Gebäude dem Erdboden gleich gemacht. Louis Rothschild starb im selben Jahr ohne Nachkommen in den USA. Einizig die Rothschildßschen Stallungen an der Plösslgasse blieben vom Abriss verschont. Der kleine Gebäudetrakt ist das letzte Überbleibsel des einstigen Rothschild-Palais. Hier ist heute eine Billa-Filiale eingemietet.
