9. Bezirk, Spitalgasse 2
Als Kaiser Joseph II. im Jahre 1784 den Spitalkomplex an der Alserstrasse zu einem so genannten Allgemeinen Krankenhaus (Altes AKH) erweitern liess, entstanden zusätzliche Einrichtungen wie ein Geburtentrakt, ein Findelhaus sowie eine Unterbringung für schwer Geisteskranke, der „Narrenturm“. Architekt Josef Gerl konzipierte diesen als ein fünfgeschossiges kreisrundes Gebäude mit Verbindungstrakt im Innenhof. Der damalige Krankenhausdirektor Joseph von Quarren liess seine Vorstellungen der Architektur in die Pläne Gerls mit einfliessen. Der Narrenturm war das erste psychiatrische Krankenhaus.
Insgesamt 139 Einzelzellen beherbergt das Gebäude. Sie reihen sich auf den Stockwerken aneinander und sind vom Korridor her jeweils über eine Tür zugänglich. Die Türen wurden bemerkenswerterweise erst einige Zeit nach Eröffnung des Narrenturms eingebaut. Die Zustände müssen laut historischen Zeugenberichten teilweise erbärmlich gewesen sein. Viele Patienten vegetierten verwahrlost vor sich hin, waren eingekerkert oder angekettet wie Tiere. Der Narrenturm galt in seiner Infrastruktur bald überholt, da die Forschung neue Erkenntnisse über Geisteskrankheit zutage brachte. Dennoch wurden noch bis 1866 Patienten hier untergebracht. Danach diente der Narrenturm gelegentlich als Behausung für AKH-Angestellte und als Archiv.
Seit 1971 befindet sich im Narrenturm die 1796 von Kaiser Franz II. gegründete pathologisch-anatomische Sammlung. Eine Vielzahl an Exponaten, darunter historische Moulagen und konservierte Körperteile zur Veranschaulichung, sind im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Die Korridore und Zellen dienen dabei als Ausstellungsräume und bieten gleichsam einen aufschlussreichen Einblick in die räumliche Konzeption des Narrenturms, der heute unter Denkmalschutz steht und im Besitz der Universität Wien ist. Eine Ausstellung zur Geschichte des Gesundheitswesens im Erdgeschoss ist auch ohne Führung zugänglich. Am Narrenturm sind Überreste eines der weltweit wohl frühesten Blitzableiter vorhanden.