19. Bezirk, 12. Februar-Platz / Heiligenstädter Strasse
Bis ins 12. Jahrhundert wurde der heutige Bezirksteil Heiligenstadt in Döbling von einem Donauarm durchzogen, welcher im Laufe der Jahrhunderte verschwand und im 18. Jahrhundert lediglich noch ein paar Tümpel übrig liess, welche dann unter Kaiser Joseph II. zugeschüttet wurden. Danach fing man an, in der Gegend Gärtnereibetriebe zu errichten, welche sich bis in die 20er Jahre des 20. h. hielten, dann aber verschwanden, weil die sozialdemokratische Partei hier die Erbauung der drittgrössten Wohnhausanlage Wiens plante. So wurde Karl Ehn, ein Schüler Otto Wagners, mit der Planung und dem Bau beauftragt, welcher in den Jahren 1829 bis 1930 realisiert wurde. Es entstand ein riesenhafter zusammenhängender Bau mit 1382 Wohnungen, welcher den Beinamen „Ringstrasse des Proletariats“ erhielt. Bürgermeister Karl Seitz sprach bei der Eröffnung die Worte: „Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen“.
Der Karl-Marx-Hof war das Zentrum des 12. Februar – Aufstandes von 1934, bei dem Arbeiter und Republikaner sich im Gebäude verbarrikadierten und erst beim Artilleriebeschuss des Bundesheers zur Aufgabe bewegt werden konnten. Zur Nazi-Zeit trug der Karl-Marx-Hof den Namen „Heiligenstädter Hof“, erhielt am Ende des Krieges jedoch seinen alten Namen zurück. Rund 66 Familien wurden aus dem Komplex vertrieben, weil sie „nicht arisch“ waren, viele davon starben in den Vernichtungslagern, woran heute eine Tafel erinnert. Schwere Bombenschäden wurden behoben.
Der Karl-Marx-Hof ist mit seinen geschlagenen 1’100 Metern Länge und rund 5’000 Bewohnern der grösste zusammenhängende Wohnbau der Welt (!). Er zieht sich über ganze vier Strassenbahnhaltestellen hinweg und weist dabei viele Grünflächen auf, welche als Parkanlagen, Gärten und Spielplätze dienen. Die ganze Anlage ist wie eine eigene Stadt in der Stadt, umfasst Wäschereien, Kindergärten, Arztpraxen, Bäder, 25 Geschäfte, eine Mütterberatung, ein Postamt, eine Apotheke, ein Jugendheim, Kaffeehäuser, eine Bibliothek und zahlreiche weitere Einrichtungen, die der Gemeinschaft dienen. Der Baukomplex vermittelt den Eindruck einer Festungsanlage mit massiven Mauern, Torbögen und kleinen Fenstern. Ab 1988 wurde der Karl-Marx-Hof sukzessive generalsaniert, modernisiert, inwendig weitgehend erneuert und teils baulich verändert und der Zeit angepasst.