Kahlenberger Friedhof

19. Bezirk, Kahlenberger Strasse

Er ist einer der entlegensten Gottesacker Wiens und liegt wohl am malerischsten Ort, den man sich denken kann. Ein paar Gehminuten unterhalb der Kahlenbergkirche gut zwei Meter oberhalb des Strässchens befindet sich am Hang der „Josefsdorfer Waldfriedhof“ aus der Biedermeierzeit, umgeben von einem Holzzaun, mit einer Handvoll Grabstellen, davon ein Familienmausoleum. Durch ein rostiges Portal betritt man den längsförmigen Friedhof im lichten Wald. Ein schmaler Weg führt bis zum Ende, wo erwähntes Mausoleum steht. Pittoresker könnte ein Ort der Vergänglichkeit kaum sein.

planet-vienna, Das alte Kamaldulenserkloster auf dem Kahlenberg, Zeichnung von Friedrich Roetter
Das alte Kamaldulenserkloster auf dem Kahlenberg, Zeichnung von Friedrich Rötter

Auf dem Kahlenberg haben sich ab 1627 Mönche des Kamaldulenserordens angesiedelt. Deren Kloster wurde 1781 aufgehoben. Hofrat Leopold Kriegl erwarb danach das Gelände, liess die um 1734 wieder errichtete Kirche neu weihen und eine kleine Gaststätte erbauen. Die übrigen Gebäude verkaufte er an Adlige und taufte die neu entstandene Siedlung „Josefsdorf“. Zur selben Zeit entstand der Waldfriedhof. Seine Weihung erfolgte am 21. Dezember 1783.

Im Laufe der Zeit wurden hier neben Katholiken auch ein paar Protestanten, griechisch-katholische Christen und Selbstmörder beigesetzt. Nach der Inbetriebnahme des Zentralfriedhofes wurden die Beisetzungen am Kahlenberg weitgehend eingestellt. Ab 1906 waren die Resurrektionisten Besitzer der Kahlenberger Kirche und des Friedhofs. Seither finden nur noch Ordensangehörige hier ihre letzte Ruhe. Prälat Joseph Ungar, Präsident der österreichischen Caritas, wurde hier 1992 bestattet. Eine der jüngsten Beisetzungen erfolgte 2003: Pater Piotr Kaglik wurde zu Grabe getragen.

Um die Erhaltung des kleinen Gottesackers stand es in den Nachkriegsjahren schlecht. So nahm sich Hans Danzmayr, früherer Kustos des Kahlenbergvereins, der Pflege des Friedhofs an. Es wurde ein neuer Zaun errichtet. Seit 1966 ist der Waldfriedhof für die Öffentlichkeit zur Besichtigung freigegeben, von den ursprünglichen Grabstellen mit insgesamt knapp 150 Bestatteten sind jedoch nur noch ein paar wenige vorhanden. Zu erwähnen ist das Mausoleum der Schlosserfamilie Johann Finsterle. Es ist in der so genannten „Nordbahngotik“ gestaltet.

Prominenz ist im Ligne-Grab vertreten. Charles Joseph Fürst de Ligne – verstorben 1814 – stammte aus belgischem Adel, war angesehener Offizier, Diplomat in österreichischen Diensten sowie Schriftsteller. Seine Ehefrau Franziska Maria Xaveria von Liechtenstein und Enkelin Sidonie Potocka liegen neben ihm begraben. Von de Ligne soll die bekannte Wendung „Der Kongress tanzt, aber er geht nicht weiter“ stammen

Und die Zieglers, Gründerfamilie der Schottenfelder Samt- und Seidenindustrie, ruhen hier in zwei Grablegen – insgesamt sechs Familienmitglieder. Auf einem weiteren Grabstein ist der Name der Anna Bruckmüller zu lesen. Angeblich war sie eine Nichte des Fabrikanten Ziegler und mit einem Neffen Fürst de Lignes verlobt. Nach dessen Ableben soll sie in einer bitterkalten Dezembernacht 1812 am Kahlenberg von Verzweiflung überkommen und jämmerlich erfroren sein.

Das Grab der „schönsten Wienerin“

Die interessanteste Grabstätte des Josefsdorfer Friedhofes jedoch ist diejenige der im Jahre 1815 verstorbenen Karoline Traunwieser, das angeblich „schönste Mädchen zur Zeit des Wiener Kongresses“. Die Legende um diese junge Frau macht das Grab zu einem echten Wiener Kuriosum. Sie war die Tochter der Kahlenberg-Besitzerin. Die Hintergründe um die schöne Karoline sind am Grabstein auf einer alten Schrift zu lesen. Diese lautet wörtlich:

„Auf einem Balle (am 18. 2. 1811) bemerkte ich in einem Teile des Tanzsaales (im „Römischen Kaiser“ in der Kärntnerstrasse) ein besonderes Gedränge. Ich drängte mich ebenfalls hin und war das erste und einzige Mal in meinem Leben von einer wirklich himmlischen Schönheit ergriffen, wie nie vorher und seitdem. Es war Fräulein Traunwieser, die schönere Tochter der Besitzerin des Kahlenberges (Josefsdorfes), einer in ihrer Jugend auch sehr schönen Frau (Anspielung auf das Horazwort: O Tochter, die du noch schöner bist als deine schöne Mutter. Oden I 16). Lottchen war unstreitig die grösste Schönheit Wiens. Eine Peri (wunderschöne persische Fee), wie ich sie nur geträumt, nie gesehen hatte. Ich kann die Empfindung des reinsten ästhetischen Gefühles, womit mich ihre Schönheit an den Boden festzauberte, nur mit der vergleichen, womit ich zu Paris vor dem Apollon vom Belvedere festgewurzelt stand. Mir ward, als strömte sie magnetisches Licht aus, dessen Fluten über meinem Haupte zusammenschlugen. Ich fand damals keine Worte, meine Empfindung auszudrücken und finde sie auch heute nicht. Ich war im eigentlichen Sinne smitten with love (ausser mir vor Liebe). Lotte war auch eine vortreffliche Sängerin.“

Es sind die Worte des österreichischen Orientalisten und Gründers der Akademie der Wissenschaften, Josef Freiherr von Hammer-Purgstall (1774–1856), mit denen er seine seine erste Begegnung mit Karoline Traunwieser beschreibt. Er war zu dem Zeipunkt 37 Jajre als, Karoline gerade mal 17. Hammer-Purgstall schrieb diese Begebenheit in seinen ungedruckten „Erinnerungen“ nieder. Die schöne Karoline soll sich ihrem gelehrten Bewunderer gegenüber freundlich gegeben haben, mehr jedoch nicht.

Grab der Karoline Traunwieser

Karolines Liebe galt einem in Wien dienenden französischen Oberst namens Rameuf. Dieser fiel beim Rückzuge Napoleons aus Moskau im November 1812 an der Beresina. Zweieinhalb Jahre später, am 8. März 1815, starb Karoline Traunsiweser an Lungenschwindsucht. Drei Monate zuvor war Karl Fürste de Ligne gestorben – auch er ein Verehrer Karolines. Er war auf dem Kahlenberg Mieter eines Sommerhäuschens in der Nachbarschaft von Karolines Mutter Josefa, wehalb der Fürst ebenfalls auf dem Josefsdorfer Friedhof seine letzte Ruhe fand. Dass Karoline in Fieberträumen ihrem vermeintlich heimkehrenden Verlobten auf dem Kahlenberg entgegengeeilt und in der Winterkälte erfroren sei, ist eine Sage und dürfte womöglich mit dem Schicksal der erwähnten Anna Bruckmüller zusammenhängen.

Nach dem Totenbuch der Stadt Wien starb die schöne Karoline in der Stadtwohnung ihrer verwitweten Mutter Josefa – ihr Vater hiess Johann Michael – in der Kärntner Strasse Nr. 5. Von Karoline Traunswieser ist kein Bildnis erhalten. Der heutige Stein auf Karoline Traunsiwesers Grab ist durch die Hammer-Purgstall-Gesellschaft mit Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht in Granit erneuert worden, nachdemtlicht hat.