
An der Stelle dieses Platzes stand einst die Or-Sarua-Synagoge, welche um 1421 zerstört wurde. Die archäologischen Ausgrabungen förderten Überreste einer mittelalterlichen jüdischen Gemeinde zutage und belegten, dass bereits um 1420 die erste Vertreibung der Wiener Juden erfolgte. Die Steine der abgerissenen Synagoge wurden für den Bau der alten Wiener Universität verwendet, was dazu führte, dass die Erinnerung an die Synagoge im Laufe der Zeit nahezu vollständig verblasste. Heute präsentiert sich der Judenplatz als ein beschaulicher Ort, umgeben von prächtigen Häuserfassaden, die von der barocken Rückfront der Böhmischen Hofkanzlei dominiert werden.

Mitten auf dem Platz steht das Lessingdenkmal. Dank einer Initiative von Simon Wiesenthal wurde hier am 25. Oktober 2000 ein Mahnmal für die rund 65’000 österreichischen Juden enthüllt, die dem Holocaust zum Opfer fielen. Entworfen wurde das Mahnmal von der britischen Künstlerin Rachel Whiteread. Es handelt sich um einen Kubus aus Stahlbeton, dessen Oberflächen als nach aussen gekehrte Bibliothekswände gestaltet sind. Auf den Sockelplatten sind die Namen jener Orte eingemeisselt, an denen österreichische Juden während des Holocausts ermordet wurden.
Ein bemerkenswertes Schmähbild
Ein Kuriosum findet sich am Jordan-Haus (Judenplatz 2). In die Fassade ist eine gotische Relieftafel eingelassen, welche die Taufe Jesu im Jordan darstellt. Darunter befindet sich eine hasserfüllte antijüdische Inschrift, die sich auf die Judenverfolgungen von 1421 bezieht. Der Wortlaut:
Flumine Jordani terguntur labe malisque corpora cum cedit, quod latet omnes nefas. Sic flamma assurgens totam furibunda per urbem 1421 Hebraeum purgat crimina saeva canum. Deucalioneis mundus purgatur ab undis Sicque iterum poenas igne furiente luit.“
Auf gut deutsch:
„Durch die Fluten des Jordan wurden die Leiber von Schmutz und Übel
gereinigt. Alles weicht, was verborgen ist und sündhaft. So erhob sich 1421 die Flamme des Hasses, wütete durch die ganze Stadt und sühnte die furchtbaren Verbrechen der Hebräerhunde. Wie damals die Welt durch die Sintflut gereinigt wurde, so sind durch das Wüten des Feuers alle Strafen verbüsst.“

Die Inschrift bezieht sich auf die grausame Judenermordung im Jahre 1421. Mit dem Ziel der Mahnung und Erinnerung hat man die Tafel bewusst an ihrem ursprünglichen Ort belassen. So vereint der Judenplatz heute die Erinnerung an die Verbrechen des Holocaust mit der historischen Bedeutung der jüdischen Geschichte Wiens. Im Haus Nummer 8 befindet sich das Museum Judenplatz, wo Reste der mittelalterlichen Synagoge zu besichtigen sind. Es ist eine Aussenstelle des Jüdischen Museums Wien.