Joseph Lanner (1801-1843)

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Vorwort des Autors

Joseph Lanner soll hier ganz besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Zweifelsohne hat er mit seinem Schaffen die Entwicklung der Wiener Musik im 19. Jahrhundert am stärksten geprägt. Daher ist es besonders denkwürdig, dass man über diese wichtige und einflussreiche Person vergleichsweise wenig weiss – belegte Überlieferungen und niedergeschriebene Fakten über sein Leben sind rar. Es gab Zeiten nach seinem Tod, in denen er fast vergessen wurde. Erst 1904 schrieb Fritz Lange eine Lanner-Biographie, welche jedoch bis Anfang des neuen Jahrhunderts die einzige bleiben sollte. Lanners Tochter Katharina liess einen Grossteil des Nachlasses in alle Winde verstreuen, und von den mehr als 200 privaten Briefen blieben nur ein paar wenige übrig. Aus diesem Grunde und weil er ein eher kurzes Leben hatte, ist es schwierig, eine Biographie über den Komponisten zu verfassen.

Einige Details im folgenden Lebenslauf werden heute angezweifelt, oder aber es spalten sich die Meinungen von Experten. Da jedoch vieles auf einer ausführlichen Beschreibung des Lebens Lanners aus der Jahrhundertwende stammt, ist es angesichts der Tatsache, dass zur damaligen Zeit noch zahlreiche Zeitzeugen lebten und ihr Wissen über den Menschen Lanner weitergeben konnten, greifbar, dass die Einzelheiten auf fundierten Kenntnissen basieren – auch wenn mancher heutzutage es besser zu wissen glaubt. Fakt bleibt, dass von Joseph Lanner schmerzlich wenig überliefert ist. Die anschliessend niedergeschriebenen Fakten erheben aus den eben genannten Gründen keinen Anspruch auf 100%-ige Richtigkeit.

Ein eigenes Denkmal für ihn wurde nie errichtet. Einzig im Wiener Rathauspark befindet sich ein überlebensgrosses Statuenduo, das ihn zusammen mit Johann Strauss Vater zeigt. Ein ähnliches Denkmal steht im Kurpark von Baden bei Wien. An sich fast enttäuschend, dass die Stadt Wien demjenigen Genius, welcher ihr zu dem ruhmvollen Beinamen „Walzerstadt“ verholfen, ja gar den auf der ganzen Welt gängigen Begriff „Wiener Walzer“ begründet hatte, kein Monument gesetzt hat! Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich in seiner Geburtswohnung eine Gedenkstätte, welche aber nicht lange existierte. Heute gibt es jedoch Forschungsprojekte und Studien, die sich mit dem Phänomen Joseph Lanner auseinandersetzen und versuchen, Licht in die Materie zu bringen. 2004 wurde in Wien von Christian Simonis und Prof. Dr. Wolfgang Dörner die Joseph-Lanner-Gesellschaft gegründet.

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Das Leben Joseph Lanners

Geburt und Familie

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Lanners Geburtshaus an der Mechitaristengasse 5 im 7. Bezirk
Geburtshaus an der Mechitaristengasse

Geboren wurde Joseph Lanner am 12. April 1801 in Zeismannsbrunn, einem Teil des damaligen Wiener Vorortes St. Ulrich, an der heutigen Mechitaristengasse 5 (einstige Adresse: St. Ulrich Nr.10). Die Wohnung – bestehend aus Küche, Zimmer, Kammer und einer Werkstatt – befand sich im zweiten Stock des Gebäudes. Aus dem Taufprotokoll der Pfarre St. Ulrich geht hervor, dass Joseph Lanner noch am Tage seiner Geburt getauft wurde. Aufgrund einer kleinen Unreinheit in der Schrift wurde Lanners Geburtsdatum oft falsch angegeben, und selbst auf seinem Grabstein auf dem Döblinger Friedhof stand vorerst das Geburtsdatum 11. April 1800. Erst nachdem Joseph Lanners Tochter Katharina in ihren Urkunden einen Taufschein ihres Vaters fand, wurde Joseph Lanners korrektes Geburtsdatum bekannt.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Lanners Geburtshaus an der Mechitaristengasse 5 im 7. Bezirk
Geburtshaus an der Mechitaristengasse

Die Lanners waren eine typische Wiener Kleinbürgerfamilie. Josephs Mutter, Maria Anna Scherhauff, wurde am 15. September 1772 in der Wiener Rossau geboren und war eine Wirtschafterin. Ihr Vater, Wolfgang Scherhauff, war zuvor von Oberösterreich nach Wien umgezogen und soll unter anderem Schiffsschreiber, Wirt, Holzversilberer, Mehlmesser und Geflügelhändler gewesen sein. Joseph Lanners Vater, Martin Lanner, wurde am 11. November 1771 ebenfalls in der Wiener Rossau, an der heutigen Porzellangasse 18, geboren und war ein Handschuhmachergeselle, respektive k.u.k. priv. Handschuhmacherfabrikant, denn in der oben genannten fehlerhaften Taufurkunde wurde „Handschuhmachergeselle“ durchgestrichen und mit „k.u.k. priv. Handschuhmacherfabrikant“ ersetzt.

planet-vienna, Die Wiege Joseph Lanners
Die Wiege Joseph Lanners

Zudem war da „Lanner“ als „Laimer“ vermerkt, was eine weitere Unkorrektheit war. Martin Lanners Vater Peter – manchmal als „Lohner“ oder auch „Lahner“ erwähnt – war im Jahre 1771 als Khevenhüller’scher Leibhusar von Niederösterreich nach Wien berufen worden. Martin Lanner war ein biederer, mittelgrosser, beflissener Mann mit freundlichen Umgangsformen. Schon in Jugendjahren schätzte er Musik und und guten Wein. Neben Joseph schenkten Anna und Martin Lanner noch weiteren sieben Kindern das Leben, von denen jedoch sechs schon im Kindesalter starben. Darunter Susanne. Sie wurde 1817 geboren und starb erst dreijährig im Haus am Heumarkt 11, wo die Familie Lanner für kurze Zeit wohnte. Das Haus stand ungefähr an der Stelle des heutigen Palais Miller-Aichholz.

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Nur Anna, geboren 1811 und „Netti“ genannt, überlebte die Kindheit. Das Jahr 1811 stand im Zeichen einer verheerenden wirtschaftlichen Misere, und auch Familie Lanner hatte grosse Mühe, sich über Wasser zu halten. Daher kam die Geburt Annas denkbar ungelegen. Das Mädchen litt unter den schwierigen Umständen, war jedoch robuster Natur. Sie zeigte schon in jungen Jahren grosses Talent für Fremdsprachen und war daher später bei wohlhabenden Familien als Lehrerin der französischen Sprache angestellt. Dadurch war sie oft unterwegs und kehrte immer seltener zu ihrer Familie zurück. Als sie des Reisens überdrüssig geworden war, liess sie sich in Alexandrien nieder und heiratete einen gewissen Zecchini.

Hier starb Anna im hohen Alter von 80 Jahren. Die Todesanzeige fand den Weg nach Wien. Darin war zu lesen: „Dem Allmächtigen hat es gefallen, heute um 4 Uhr nachmittags unsere geliebte Pflegemutter Anna Zecchini, geb. Lanner, im 81. Lebensjahre nach schmerzvoller Krankheit zu erlösen. Die Beerdigung findet morgen Donnerstag, vormittags um 9.30 Uhr von der Okelle Anglaise aus statt. – Alexandrien, den 9. März 1892.“

Kindheit und Jugend

Der kleine Joseph war der Wonneproppen des Hauses. Er wurde gehätschelt und das nicht nur von den Familienangehörigen, sondern auch von den Gesellen und Lehrburschen der väterlichen Werkstatt. Schon früh nahm Vater Lanner den kleinen Joseph mit zu musikalischen Veranstaltungen. Das Kind zeigte reges Interesse an den Darbietungen, was der Vater freilich bemerkte, jedoch nicht weiter beachtete. 1805 zog die Familie Lanner ins Altlerchenfeld und bewohnte das Haus an der heutigen Lerchenfelder Strasse 58. Bereits 1807 siedelte die Familie erneut um – nach Oberneustift ins Haus „Zum weissen Schwan“. Schulisch soll Joseph nicht besonders brilliert haben, denn das Lesen und Schreiben fiel ihm sehr schwer. Allerdings wurde er für seine schöne und saubere Handschrift bewundert.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Lerchenfelderstrasse 58. Im Vorgängerbau wohnte Familie Lanner von 1805 bis 1807
Lerchenfelderstrasse 58. Im Vorgängerbau wohnte Familie Lanner von 1805 bis 1807

Entgegen der Annahme, dass Joseph das Handwerk seines Vaters hätte erlernen sollen, muss er  laut neueren Angaben am 1. Dezember 1812 in die Schule für Erzverschneidung an der Akademie der bildenden Künste eingetreten sein und eine Lehre als Graveur begonnen haben. Nach zwei Jahren hat er die Lehre offensichtlich abgebrochen. Denkbar, dass er dies getan hat, weil er sich eher zur Musik hingezogen fühlte. Eine andere Quelle sagt aus, dass Lanner eines Tages zum Ärger des Professors in überaus heiterer Stimmung zum Unterricht erschienen sei. Nachdem sich herausgestellt habe, dass Lanner betrunken gewesen sei, habe man ihn von der Schule verwiesen. Sein Vater soll ausser sich gewesen sein vor Wut, während Joseph gejubelt habe.

Auf das stete Drängen seines Sohnes hin soll Vater Lanner ihm darauf erlaubt haben, Violinunterricht zu nehmen – beim wem, ist nicht überliefert. Aus der „Oesterreichischen National-Encyklopädie“ aus dem Jahre 1835 geht hervor, dass Lanner – abgesehen von dem bescheidenen Violinunterricht – weitgehend autodidakt war. Er muss sich im Geigenspiel nach seinem bescheidenen Unterricht fast ausschliesslich selber weitergebracht haben, hatte er doch ein ungewöhnlich grosses Talent dafür. Und er muss ein wahrer Virtuose gewesen sein, ein neuer Paganini, was aus der sehr anspruchsvollen Technik und all den Raffinessen in seinen Werken zu schliessen ist.

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Michael Pamer

Seine berufliche Musikerlaufbahn begann Joseph Lanner wohl vorerst als Mitwirkender in kleineren Kapellen und Ensembles und trat dann vermutlich bereits als 12-Jähriger dem Orchester von Michael Pamer bei, nachdem sich die wirtschaftliche Lage erholt hatte und das väterliche Hutmachergeschäft wieder gewinnbringend geworden war. Die enormen Fortschritte des Jungen beim Geigenspiel erregten Aufsehen. Mit der Zeit soll es Lanner aber nicht mehr gut gefallen haben bei Pamer, denn dieser soll ein Sonderling gewesen und durch einen enormen Alkoholgenuss unerträglich geworden sein. Sein Honorar vom Abend soll am nächsten Tage schon wieder verprasst gewesen sein. Zudem soll er steten Heisshunger gehabt haben und durch seine extremen Gemütsschwankungen zum Melancholiker geworden sein. Der aus armen Verhältnissen stammende Pamer hatte kein glückliches Familienleben.

Lanner macht sich selbständig

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Gedenktafel für Michael Pamer
Gedenktafel für Michael Pamer

Nach der Trennung von Michael Pamer traf sich Joseph Lanner – mit seiner Familie inzwischen ins Laimgrubenviertel umgezogen – regelmässig mit einigen gleichgesinnten Freunden, um mit ihnen in einer hofseitigen Kammer zu musizieren. Doch das wurde Lanner bald zu langweilig, und er war überzeugt, dass er es als Leiter eines eigenen Ensembles zu etwas bringen könnte, denn dies war seit Kindesalter sein Traum gewesen. Im Jahre 1818 gründete er mit den Gebrüdern Drahanek ein eigenständiges Trio, in welchem er die erste Geige spielte.

Die beiden aus Böhmen eingewanderten Musiker kannte Lanner schon länger. Der ältere der beiden spielte die Gitarre, sein Bruder die zweite Geige. Pamer war verbittert, als er vom neuen Terzett erfuhr und prophezeite ein Scheitern. Lanners erfolgreiches Debut mit den Gebrüdern Drahanek erfolgte im Jahre 1819 im Kaffeehaus von Johann Jüngling an der Praterstrasse. Wenig später spielte er auch im „Grünen Jäger“ auf, wo seine Musik ebenso grossen Anklang fand.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Lanner-Gedenkkarte
Lanner-Gedenkkarte

Schon bald war Joseph Lanner in aller Munde, denn seine Musik war anders als die bisherige – sie war aussagekräftiger, sie war einfallsreicher, sie war gefühlvoller, und sie war vor allem eins: besser! Die Zeit der ordinären Bierfiedler schien vorbei, denn jetzt hat das Wiener Volk den Zauber von Lanner-Musik zu spüren gekriegt. Es war aber wohl auch die Gunst des Zeitpunktes, welche dem Trio Lanner-Drahanek den Erfolg bescherte, denn in Wien ist nach den Wirren des Krieges endlich Friede eingekehrt, und eine sprichwörtliche Glückseligkeit lag über der Stadt, was die Bevölkerung nach Genüssen für die Sinne dürsten liess. Ein regelrechter Vergnügungsrausch übermannte die Kaiserstadt, und keiner wollte sich ernster Dinge annehmen, sondern sich amüsieren – Tag und Nacht. Man konnte sich diese Vergnügungen leisten, denn das leben in Wien war zu der Zeit sehr billig.

Begegnung mit Strauss

planet-vienna, der komponist joseph lanner; johann strauss vater, lanners partner
Johann Strauss Vater

Vier Jahre nach der Gründung von Lanners Kapelle wurde Gioacchino Rossini in Wien bekannt und überaus beliebt. Ein wahrhaftiges Rossini-Fieber überkam die Bevölkerung, was die nachfrage nach Wiener Musik vorübergehend sinken liess. Dies war möglicherweise der Grund, warum Lanner mit seinem Ensemble um Erlaubnis ersuchte, in Baden bei Wien aufspielen zu dürfen. Es kam nun das Jahr 1825, welches eine wichtige Veränderung im Leben Lanners und dessen Laufbahn bringen sollte: Schon als Lanner im „Grünen Jäger“ gespielt hatte, war da des öfteren ein junger Mann zugegen, welcher mit Genuss dem Spiel Lanners zuhörte und den Wunsch in sich trug, in dessen Kapelle zu spielen. Es war Johann Strauss der Ältere, welcher ebenfalls eine Zeit lang in Pamers Orchester mitgespielt hatte, bis er aus denselben Gründen wie Lanner sich von Pamer trennte

Strauss wandte sich an den jüngeren Drahanek, welcher vermittelte und Lanner dazu bewog, Strauss als Bratschisten im Ensemble aufzunehmen. Seine Integration erfolgte unmittelbar und hätte nicht besser gelingen können. Das Quartett harmonierte ausgezeichnet, und ganz besonders das Verhältnis zwischen Lanner und Strauss entwickelte sich zu einer engen Freundschaft. Als die beiden eines Tages zusammen im Kaffeehaus sassen und sich unterhielten, beschlossen sie, sich gemeinsam eine Wohnung zu teilen.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Lanner-Strauss-Denkmal, Baden bei Wien
Lanner-Strauss-Denkmal in Baden bei Wien

Wenig später bezogen die beiden ein bescheidenes Apartment im Haus Nr. 18 der Wiener Vorstadt, bekannt als „Windmühle“. Und obschon sie über ihre Verhältnisse lebten und sich zeitweilig gar verschuldeten, konnte nichts ihre Lebensfreude trüben. Man erzählte sich in Wien Amüsantes über die beiden Freunde, welche stets zu allerlei Scherzen und Schabernack aufgelegt waren. Hierbei soll Strauss wohl der einfallsreichere gewesen sein, Lanner aber der Kühnere, welcher die Scherze in die Tat umsetzte, ohne mit der Schulter zu zucken. Von beiden war aber Lanner die fröhlichere Natur als Strauss. Letzterer liess sich öfter aus der Fassung bringen und konnte nur schwerlich wieder von daraus hervorgegangenen schlechten Gedanken weggebracht werden. Lanner trug den Übernamen „Flachskopf“, und Strauss wurde „Mohrenschädel“ genannt.

Bald ist aus Lanners Quartett ein Orchester geworden, welches das erste seiner Art war – ein reines Streichorchester. Zumindest war es das erste seiner Art, welches in Wien öffentlich auftrat, denn bisher kannte man bloss die so genannte Harmoniemusik, Ensembles aus Holz- und Blechinstrumenten. Lanners Erfolg hielt an, ja wurde mit jedem Auftritt grösser. Zunächst liess Lanner seine Kompositionen – anfangs hauptsächlich Ländler – von Anton Diabelli verlegen, welcher die Partituren allerdings nicht mit einer besonderen Aufmachung versah. Lanner wechselte zum Verlag von Carl Haslinger, welcher diesbezüglich viel grosszügiger war und jedes Werk Lanners mit einem kunstvoll gestalteten Titelblatt versah. Haslinger, ein kleines kurliges Männchen, welches stets einen riesigen Vatermörder trug, machte dies nicht ganz ohne den Hintergedanken, seinem verfeindeten Konkorrenten Diabelli eines auszuwischen.

Die Trennung

Lanner mochte dem riesigen Bedürfnis der Wiener nach Unterhaltung bald nicht mehr alleine nachkommen. So teilte er sein Orchester in zwei Hälften, von denen die eine von Strauss dirigiert wurde. Dieser war damit aber nicht richtig glücklich, denn immer stärker wurde sein Wunsch nach einem eigenen Orchester. Am 1. September 1825 offenbarte Strauss seinem Freund Lanner, dass er seine eigenen Wege gehen wolle. Lanner hatte es allerdings bereits geahnt und war daher nicht besonders überrascht. Noch am selben Abend erhielt Strauss seine Entlassung. Lanner soll ihn gebeten haben, ihm nach wie vor freundschaftlich gesinnt zu sein. Er wusste, dass Strauss ein Konkurrent werden würde, denn er hatte bereits Kompositionen vorgelegt, welche Lanner in Staunen versetzten. Diese hatte Strauss bislang nicht publizieren lassen, sondern an diverse Kapellmeister verkauft, welche sie dann unter ihrem Namen aufführten.

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Lanner-Strauss-Denkmal im Wiener Rathauspark

Am Abend der Entlassung spielte das Lanner-Orchester im „Bock“ auf der Wieden. Nach dem Konzert rief Lanner alle Musiker zusammen und unterrichtete sie über Strauss‘ Austritt. Dabei soll Lanner sich vor lauter Aufregung etwas ungeschickt ausgedrückt haben, worauf es angeblich zu lautstarken Streitereien unter Lanner und Strauss sowie auch unter den restlichen Musikern gekommen sein soll. Das anwesende Publikum soll sich ebenfalls eingemischt haben, und das Ganze sei danach sogar in Handgreiflichkeiten ausgeartet (Anm.: Dies ist nicht belegt, denn andere Quellen besagen, dass die Trennung Strauss’ von Lanner in aller Freundschaft vollzogen worden sei.

Die angebliche Feindschaft dürfte aus den Gerüchten hervorgegangen sein, welche zu hunderten von der Wiener Bevölkerung in die Welt gesetzt worden waren.) Lanners Opus 19, der „Trennungswalzer“, soll auf das Scheiden mit Johann Strauss zurückgehen und zu Lanners eigenem Trost geschrieben worden sein (andere Quellen wiederum schildern als Anlass zu diesem Walzer den Abschied vom Fasching und von den Ballanlässen im „Schwarzen Bock“, was eher zutreffend ist).

planet-vienna, der komponist joseph lanner; volksgarten-musik

Strauss gründete sein eigenes 12 Mann starkes Orchester, welches vermutlich aus Mitgliedern des aufgelösten Pamer-Orchesters bestand (Pamer litt an einem bösartigen Geschwür am linken Zeigfinger und konnte seine Tätigkeit daher nicht mehr ausüben). Lanner und Strauss wurden zwar zu Rivalen in ihrem Metier und spalteten die Wiener Musikwelt entzwei in die Straussianer und die Lannerianer, aber dennoch blieben sie sich weiterhin freundschaftlich gesinnt und wohnten zeitweise in der gleichen Wohnung in der Josefstadt Nr. 67 (heutige Lange Gasse 24) – gemeinsam mit einer gewissen Anna Zinnagl, geboren 1807, eine Magd aus Heiligenstadt. Ihre Rolle in der Wohngemeinschaft ist nicht bekannt.

Im Frühjahr 1826 wechselte Lanner zum Verleger Pietro Mechetti am Michaelerplatz, welcher ihn viel besser bezahlte als Haslinger. Mechetti machte schon mit den ersten Werken, die ihm Lanner lieferte, ein gutes Geschäft. Lanner hatte eine sehr kreative Phase, denn die durchschlagenden Melodien fielen ihm fast wie im Traume ein. Er komponierte gewöhnlich zu nächtlicher Stunde, nachdem er seine Pfeife gestopft und geraucht hatte, eines seiner wichtigsten persönlichen Rituale. Nicht selten war eine Komposition noch in derselben Nacht vollendet und fand sich am folgenden Morgen beim Kopisten wieder. Wie bereits erwähnt, war Lanner in Sachen Komponieren, Harmonielehre und Kontrapunkt autodidaktisch, aber darin war er sehr geschickt, und nur sehr selten machte er Fehler. Diese kamen fast nur in den Klavierpartituren vor, welche von einem Mitglied des Orchesters bereitgestellt wurden.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Die alte Laimgrubenkirche
Die alte Laimgrubenkirche

Am 17. Juni 1826 wurde Lanner Vater eines Jungen namens Martin Joseph, welcher aus der Verbindung zu Maria Wegel aus der Wieden hervorgegangen war. Es ist nicht bekannt, warum das Paar nie geheiratet hat. An der Taufe des Kindes in der Karlskirche am 19. Juni 1826 hat sich Joseph Lanner zur Vaterschaft bekannt. Das Kind kam danach in Pflege, starb aber bereits am 21. März 1827. (Anm. des Autors: Die Liaison mit dieser Maria Wegel ist ein Detail in Lanners Leben, das heute angezweifelt wird.)
Am 28. November 1828 ehelichte Joseph Lanner in der Laimgrubenkirche St. Josef Franziska Jahns, Tochter des Handschuhfabrikanten August Jahns und Katharina, geb. Mutzbauer. Sie wurde am 15. August 1800 im Laimgrubenviertel geboren und war mit Joseph Lanner vermutlich schon länger bekannt, da ihre Väter denselben Beruf ausübten. Die „schöne Fanni“ aus gutbürgerlichem Hause hatte üppiges goldblondes Haar, war von stattlicher Postur, hatte einen eleganten Gang, gefällige Umgangsformen. Beim Hochzeitsmahl im „Bock“ soll Johann Strauss erschienen sein und Lanner herzlichst beglückwünscht haben, worauf sich die beiden ein den armen gelegen haben sollen.

Katti Lanner

planet-vienna, der komponist joseph lanner; katharina lanner

Am 14. September 1829 wurde Tochter Katharina („Katti“) in Lanners neuem Zuhause in der Rothgasse geboren. Sie wurde später zur Tänzerin ausgebildet, debütierte im Jahre 1845 im Kärntnertortheater und wurde bald berühmt. Selbst die legendäre Fanny Elssler hatte Katti eine glänzende Karriere vorausgesagt. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 1855 entschloss sich Katti, Wien trotz zahlreicher lukrativer Angebote zu verlassen. Sie reiste nach Berlin, Dresden und München. Schliesslich ging sie nach Hamburg, wo sie am Stadttheater Ballettmeisterin und Choreographin wurde. Nach vier Jahren verliess sie Hamburg und ging auf Tournee durch Skandinavien und Russland, abermals mit grösstem Erfolg bedacht. Schliesslich erhielt sie ein Engagement in Bordeaux, wo es ihr sehr gefiel.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; katharina lanner

Katti Lanner gründete ein eigenes Ballettensemble und reiste bald nach Lissabon. Hier wurde der amerikanische Musikdirektor James List auf sie aufmerksam und konnte sie überreden, an seiner Oper zu wirken. So machte sich die Lanner-Tochter sogar in Amerika einen Namen, reiste darauf aber wieder nach Lissabon zurück, wo sie aus London eine Einladung ans Drury-Lane-Theatre erhielt. Nach getaner Arbeit führte sie ihr Weg nach Baden-Baden, Belgien und nach Paris an die italienische Oper. Nach einem kurzen Aufenthalt in Kopenhagen ging sie nach New York, bereiste Amerika und kehrte wieder nach New York zurück, wo sie einem weiteren Engagement folgte. Sie begab sich schliesslich wieder nach London ans Drury-Lane-Theatre und leitete da sämtliche Ballettproduktionen. Nach der Eröffnung des Empire-Palastes am Leicester Square erhielt sie hier die Stelle als Ballettmeisterin, wo sie bis an ihr Lebensende bleiben sollte. Sie komponierte 33 Ballette.

Katti Lanners heiratete 1868 den Tanzmeister Johann Baptist Alfred Karl Viktor Geraldini. Die Ehe war keine glückliche. Dennoch gebar sie ihm drei Töchter: Katti, Albertine und Sophie. Letztere machte eine Karriere als Harfenspielerin, bereiste als solche Nord- und Südamerika und wirkte auch längere zeit in Paris, bevor sie in Wien im Orchester von Carl Michael Ziehrer spielte und darauf in Groningen den Konzertmeister Jacques Becker heiratete. Geraldini war ein liebenswürdiger Mann, welcher sehr gut situiert war, durch unglückliche Umstände jedoch fast sein ganzes Vermögen verlor und nach der schmerzlichen Scheidung von seiner Frau Katti als seelisch gebrochener Mann am 8. Dezember 1904 in Wien starb. Katharina Lanner starb am 15. November 1908 in London.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; katharina lanner

Joseph Lanners zweite Tochter Franziska Karoline kam am 14. Januar 1836 zur Welt. Ihre Mutter machte ihr das Leben allerdings nicht leicht im elterlichen Hause. Wiederholt lief Fanni der Mutter davon und irrte weinend in den Strassen Wiens umher, bis sie einmal von einem Wiener Bürger namens Stenter aufgegriffen wurde. Dieser nahm sie auf und gewährte ihr eine Ausbildung in Klavier und Gesang. Das Mädchen war aussergewöhnlich talentiert, aber noch ehe sie sich richtig entfalten konnte, starb sie am 8. März 1853 im jungen Alter von 17 Jahren. Sie wurde auf dem Schmelzer Friedhof im Grab der Familie Stenter beigesetzt.

Familiäre Schwierigkeiten

planet-vienna, joseph Lanner als Kapellmeister des 2. Wiener Buergerregiments-Corps
Lanner als Kapellmeister des 2. Wiener Bürgerregiments-Corps

Joseph Lanners Ehe mit Franziska Jahns war offenbar keine besonders glückliche. Das wird alleine dadurch deutlich, dass Joseph Lanner zu der Zeit, als er mit Johann Strauss und Anna Zinnagl zusammen wohnte, bereits mit Franziska Jahns verheiratet war. Im Jahre von Kattis Geburt wurde Lanner zum Musikdirektor der k.u.k. Redoutensäle ernannt und übernahm zwei Jahre später zudem die Leitung der zweiten Wiener Regimentskapelle, was ihm noch mehr Bekanntheit verschaffte. Sein Engagement nahm ihn sehr in Anspruch, so war er ständig am Arbeiten, konzertierte in zahlreichen Lokalen, komponierte und sass mit Etablissementsdirektoren zu Besprechungen zusammen.  Zeit für seine Familie hatte er demnach kaum, obschon er sich als guter Vater erwies und sehr um das Wohl seiner Frau und seiner Tochter besorgt war. Seine familiären Verhältnisse litten dennoch unter einem Zerwürfnis mit seinem Vater, denn dieser lebte nach Joseph Lanners Heirat gemeinsam mit dessen Frau und Schwiegereltern im selben Haushalt.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Das Bäckenhäusel an der Währinger Strasse
Bäckenhäusel an der Währinger Strasse

Im Sommer 1832 suchte Lanner für seinen Vater eine neue Unterkunft und brachte ihn am 27. Juli ins Versorgungshaus „Zum blauen Herrgott“ am Alserbach an der Lazarettgasse 4. Später kam der Vater in das als Siechenhaus bekannte „Bäckenhäusel“ an der heutigen Währinger Strasse 42, wo er am 29. März 1839 starb. Obschon Joseph Lanner zu dem Zeitpunkt sehr viel Geld verdient haben muss, brachte er seinen Vater in Versorgungshäuser für Arme. Man kennt die Gründe nicht, warum er keine standesgemässe Unterkunft für seinen Vater gewählt hat.

Erfolgreiche Bühnenwerke

Im Jahre 1833 wurde Joseph Lanner mit der Theaterwelt konfrontiert: Er hatte den Ballettmeister Raab vom Josefstädter Theater kennen gelernt, welcher von Lanners Musik sehr begeistert war. Raab sah in Lanner einen idealen Ballettmusik-Komponisten und gab alles dran, Lanner für sich zu gewinnen. Er schaffte es, ihm die Theaterwelt so schmackhaft zu machen, dass dieser einwilligte, mit Raab zusammen zu arbeiten. Raab legte ein Pantomimenstück vor mit dem Titel „Policinellos Entstehung“, welches heitere und düstere Episoden aus dem Leben des Bajazzo erzählt. Im August selben Jahres war die umfangreiche Partitur vollendet, und die Premiere fand am 24. Oktober statt. 

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Geige aus dem Besitz von Joseph Lanner
Geige aus dem Besitz von Joseph Lanner

Der Ansturm war grandios, sämtliche Karten innert Kürze ausverkauft, und viele Besucher mussten abgewiesen werden, weil das Theater schon übervoll war. Die Besucher waren hingerissen von Raabs Pantomimenkunst und vor allem von Joseph Lanners Musik. Einen ähnlich grossen Erfolg erfuhr das Ballett „Huldigung der Frauen“, zu welchem Lanner die Musik schrieb und das am 10. Februar 1834 im Saal „Zum Römischen Kaiser“ uraufgeführt wurde. Am 31. August selben Jahres fand im Park des Grafen Ferdinand Palffy auf Lanners Initiative ein grosses Gartenfest mit rund 6000 Gästen statt, an dem er persönlich aufspielte. Lanner nannte die Veranstaltung „Ein Sommernachtstraum“. Es war ein rauschendes Fest mit viel Dekoration und Unterhaltungseffekten. Eigens zu diesem Anlass hat Lanner seinen Walzer „Abenteurer“ Op.91 geschrieben.

Auf Reisen

Anfang November 1834 ging Joseph Lanner mit seinem Orchester erstmals auf Konzertreise nach Pesth (Strauss hatte hier schon ein Jahr zuvor erfolgreich konzertiert). Lanner hatte bislang nie ausserhalb Wiens – ausser in Baden – gearbeitet. Die Auftritte in Budapest waren ein grosser Erfolg und Lanner darob und ob der Gunst seines ungarischen Publikums sehr ergriffen, wie der Komponist am 12. November 1834 in einem Nachruf persönlich festhielt (siehe Grafik weiter unten). Lanner hat mehrere seiner Kompositionen – darunter den „Pesther Walzer“ Op.93 – der ungarischen Nation gewidmet. Am 15. November kehrte Lanner nach Wien zurück.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; August Lanner
August Lanner

Am 22. Januar 1835, ein Tag vor der Geburt seines Sohnes August, reiste Lanner ein zweites Mal nach Pesth und spielte wiederum erfolgreich an den Bällen auf, von denen einer ganz alleine ihm gewidmet war, der „Lanner-Ball“. Allerdings musste Lanner diese Konzertreise abbrechen, als am 2. März Kaiser Franz II. starb und sein Nachfolger Ferdinand sofort sämtliche Vergnügungsveranstaltungen einstellen liess. Lanner war gerade im „Schaf“ am Aufspielen, als eine Polizeipatrouille hereintrat und ihn hiess, das Spiel abzubrechen. Sechs Wochen durfte in Wien keine Musik mehr gespielt werden.

Nachdem Lanner im Oktober 1835 eine Reise nach Pressburg unternommen hatte, wo er zweimal am Theater aufspielte, erhielt er erneut eine Einladung nach Pesth. Er reiste am 3. November hin. Diesmal blieb er nur wenige Tage in der Stadt, da seine Veranstaltungen nicht mehr den gewohnten Anklang fanden wie bisher. Anfang 1836 erhielten Lanner und Strauss von der Stadt Wien die Bürgerrechtsverleihung und legten am 25. Februar den Bürgereid ab. Lanner erhielt eine weitere Gelegenheit, für ein Bühnenwerk die Musik zu schreiben, wiederum am Theater in der Josefstadt. „Der Preis einer Lebensstunde“ war ein sogenanntes romantisches Volksmärchen mit Texten von Carl Meisl nach einer Erzählung von Ignaz Franz Castelli. Es war eine gelungene Produktion, die viele Male mit anhaltendem Erfolg aufgeführt wurde.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Gumpendorferstrasse 47
Gumpendorferstrasse 47

Zu diesem Zeitpunkt wohnte Lanner noch mit seiner Familie im Haus an der heutigen Gumpendorferstrasse 47. Aber gegen Ende desselben Jahres spitzte sich die angespannte Lage seiner Ehe dermassen zu, dass er seine Familie verliess und nach Döbling umzog in ein möbliertes Kabinett an der heutigen Billrothstrasse 62. Die Schuld am Scheitern der Ehe trug laut Tochter Katharina die Mutter, denn in einem Brief schreibt die Tochter, dass die Mutter aufgrund der regen Tätigkeit und Abwesenheit ihres Mannes und auch wegen Gerüchten über heimliche Liebschaften sehr eifersüchtig und misstrauisch geworden sei und anfing, heimlich die Konzerte ihres Gemahls zu besuchen. Daraufhin habe sie, so schreibt Katharina weiter, durch ihre Eifersucht den Hausfrieden zerstört.

Lanner verliess wenig später das Kabinett an der Billrothstrasse und zog in ein hübsches Haus, das er eigens für sich erbauen liess – die Anschrift lautete Oberdöbling Nr.214 (heutige Gymnasiumstrasse 87). Hier wohnte er gutbürgerlich. Er hatte eine Wirtschafterin, eine Köchin, einen Diener und einen persönlichen Fiaker. Oft sass er im gepflegten Gärtchen und widmete sich seinen Kompositionen. Hier lebte er mit seiner Freundin Marie Kraus, Tochter eines Fleischhauers aus der Leopoldstadt stammend, welche er 1838 schliesslich heiratete. Sie verehrte ihren Mann, liebte ihn innig und wich nie von seiner Seite. So soll sie oft in einem Mietwagen vor dem Etablissement, in dem Lanner gerade aufspielte, auf ihn gewartet haben.

planet-vienna, der komponist joseph lanner

Während der Karnevalszeit im Frühjahr 1837 pflegte man im Sperl so genannte „Champagnerbälle“ zu veranstalten, an denen Champagnerflaschen gewonnen werden konnten. Zu diesen Anlässen komponierte Lanner die „Champagner-Knall-Galoppaden“ Op.114. Anfang November selben Jahres reiste Lanner mit seinem Orchester nach Graz, wo er abermals mit grossem Erfolg  an diversen Ballveranstaltungen auftrat. Der Empfang Lanners war genauso wie der Abschied pompös und ging mit grosser zeremonieller Aufmachung einher. Er war in Graz so populär, dass er Lobeshymnen erhielt und zu Gastspielen unter anderem nach Klagenfurt und Triest eingeladen wurde, was er jedoch ablehnte. Und als Kaiser Ferdinand I. zum König der Lombardei gekrönt wurde, lud man Lanner ein, an den dafür organisierten Festivitäten in Innsbruck, Mailand und Venedig aufzutreten.

Heitere Episoden

Es dürfte der 2. August 1838 gewesen sein, als sich Lanner mit 23 Musikern auf die Reise machte. In Linz legte er einen Zwischenhalt ein, um in den dortigen Redoutensälen aufzuspielen. Via Salzburg ging die Reise weiter nach Innsbruck, wo Lanner weiteren Verpflichtungen nachkam. Von einer lustigen Begebenheit wird berichtet, welche sich wenig ausserhalb der Alpenstadt ereignet haben soll: Lanner wollte mit seinen Musikern – alle in einheitlicher Uniform aus rotem Frack, weisser Hose, Dreispitz und Degen gekleidet – die Reisewagen verlassen und den verbleibenden Weg nach Innsbruck zu Fuss zurücklegen. Als sie in einen kleinen Vorort kamen, ergriffen die Bewohner panisch und schreiend die Flucht, weil sie die Orchestermitglieder für eine Räuberbande hielten.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Giraffenklavier aus dem Besitz von Joseph Lanner
Giraffenklavier aus dem Besitz Joseph Lanners

Am 16. August verliess Lanner Innsbruck und reiste über Trient, Verona, Brescia und Bergamo nach Mailand, setzte da sein Programm fort und spielte unter anderem an einem grossen Ball in der Scala auf. Seine Musik fand bei den Italienern einen ausserordentlichen Anklang, sie beschenkten und verehrten den Wiener. Seine Reise setzte er fort nach Venedig, wo er ebenfalls an zahlreichen Veranstaltungen spielte. Die Heimreise führte schliesslich via Laibach, wo er am 25. Oktober im städtischen Theater ein Konzert gab. Bei einem letzten Zwischenstopp in Graz trat Lanner im Schauspielhaus und in den Redoutensälen auf, bevor er wieder nach Wien zurückkehrte. Da bekam er die Leitung einiger Bälle am Hof übertragen, denn auch da war man von Lanner überzeugt. Jedoch war er diesbezüglich gegenüber Johann Strauss benachteiligt, denn auch dieser leitete mittlerweile Bälle am Hof. Strauss verdiente mehr als das doppelte wie Lanner, was die Abrechnungen des k.u.k. Hofzahlamtes zeigten.

Handschriftliche Notenseite von Lanners Bühnenwerk „Preis einer Lebensstunde“

Es soll Joseph Lanner manchmal schwer gefallen sein, sich an die höfische Etikette zu halten, wenn er in der Hofburg konzertierte. So berichteten Zeitgenossen, dass er einmal stark angetrunken den Rittersaal betrat. Baron Kutschera bat Lanner darauf, sich in die Garderobe zu begeben. Dieser aber erwiderte energisch: „Was glauben’s denn, Exzellenz? I bin so wenig b’soffen wie Sie, und selbst wenn I an Mordsrausch hätt’, kann mi niemand vom Platz verdrängen, den mir mein Kaiser ang’wiesen hat.“ Lanner dirigierte so schwungvoll wie noch nie, aber dennoch machten ihm in seinem Zustand die schlechte Luft im Saal und die Hitze zusehends zu schaffen. Das entging dem Publikum nicht, und selbst der Kaiser wurde darauf aufmerksam und meinte zu Baron Kutschera, man soll unbedingt dafür sorgen, dass der gute Lanner am Ende der Veranstaltung sicher herausgeleitet werde, denn sonst stürze er noch vom Podest und haue sich den Kopf ein.

Eine andere heitere Begebenheit ereignete sich ebenfalls an einem Anlass in der Hofburg. Nach einem Konzert wischte sich Lanner mit einem Tuch den Schweiss von der Stirn, worauf Erzherzogin Sophie zu ihm hintrat und meinte, dass er sich jetzt aber ganz schön angestrengt habe. Da schlug Lanner seinen Frack zurück und sagte: „Ja, da schaun’s her, wie i schwitz’ !“ Die höfische Gesellschaft nahm Lanner diesen Fauxpas sehr übel, und er wurde vorübergehend von seinem Amt suspendiert.

planet-vienna, erzherzogin sophie
Erzherzogin Sophie

Jedoch bereits im Sommer 1840 kam es zu Auseinandersetzungen mit seiner Frau Marie und den Schwiegereltern. Einem Schreiben Lanners an seinen Verleger Mechetti ist zu entnehmen, dass er von seiner Frau und deren Eltern nicht gut behandelt worden und Opfer von interfamiliären Intrigen gewesen sei. Weiter geht daraus hervor, dass man ihn ausspioniert und quasi bevormundet hat. Seine Ehe wurde später gerichtlich geschieden, was die Kirche aber nicht anerkannte. Zudem war da noch Lanners vorige Frau Franziska, welche das Scheitern ihrer Ehe nicht verarbeiten konnte und immer wieder mit Lanner in Streitigkeiten geriet.

Lanner wurde immer unglücklicher und vereinsamte innerlich. Er war ein Sanguiniker und angeblich auch ein notorischer Alkoholiker. Sein ansehen und sein Erfolg litten darunter jedoch keineswegs: Überall wurde seine Musik gespielt, überall ehrte man ihn, überall kannte man Joseph Lanner. Der Innsbrucker Musikverein ernannte ihn zum Ehrenmitglied. Eine Einladung ans Drury-Lane-Theater nach London musste er jedoch ablehnen, weil er in Wien vertraglich gebunden war. 

Als Gaetano Donizetti als neuer Wiener Hofkomponist am 2. Juni 1842 im Dommayer bei einem Dinner war und Lanner spielen sah und hörte, soll er darauf mehrmals als einfacher Gast wiedergekommen sein, weil ihm Lanners Musik so gut gefallen hat. Nicht alle aber gönnten Lanner den Erfolg: Viele ordinäre Musiker oder solche, die sich „Kapellmeister“ schimpften, waren dem Walzerfürsten missgünstig gesinnt und verbreiteten aus lauter Boshaftigkeit Gerüchte und Unangenehmes aus Lanners Privatleben. Auch suchten sie stets, Lanners Kompositionen öffentlich zu kritisieren, freilich zu seinen Ungunsten.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Gedenktafel an den Tod Anna Lanners im Haus an der 
heutigen Neustiftgasse 51 im  7. Bezirk.
Gedenktafel zum Tod Anna Lanners im Haus an der heutigen Neustiftgasse 51 im  7. Bezirk.

Es soll in den „Drei Engelsälen“ sogar einmal zu einem grossen Streit zwischen Musikern und Orchestermitgliedern gekommen sein, bei dem Lanner selbst fast tätlich angegriffen wurde. Ein andermal sei er von einem Musiker, welcher im selben Gasthaus wie Lanner sass, arg beleidigt worden, indem dieser ihn einen Stümper nannte, welcher vom Komponieren keine Ahnung habe und seine Partituren ja stets zum Korrigieren geben müsse. Lanner war darob so sehr verbittert, dass er erkrankte und erst nach geraumer Zeit seinen gewohnten Humor wieder fand und konzertieren konnte. Der Beifall und die Begeisterung des Publikums liessen Lanner solche Widerwärtigkeiten vergessen.

Am 25. November 1839, am Tag nach dem „Katharinen-Festball“ im Saal „Zur goldenen Birn“, reiste Lanner nach Aufforderung des Grafen Ugarte mit der neu eröffneten Eisenbahn nach Brünn, wo er im Redoutensaal aufspielte. In Brünn war man nicht weniger von Lanner begeistert als anderswo.

Die letzen Monate

planet-vienna, der komponist joseph lanner

Im Januar 1843 reiste Lanner ein letztes Mal weg. Er trat mit seinem Orchester am Theater von Brünn auf. Zurück in Wien konzertierte er noch einige Male und wirkte an Bällen mit. In den Konzertsälen herrschte stets ein sehr ungesundes Klima mit Zugluft. Nicht zuletzt dürfte dies ein Grund gewesen sein, dass Lanner anfing, kränklich zu werden, da er als Dirigent an erhöhter Stelle diesen schlechten Konditionen besonders stark ausgesetzt war. Mehrere Lanner-Zeitgenossen wussten von der Begebenheit zu berichten, dass Lanner nach einem ausgelassenen Hochzeitsfest eines Bekannten bei sich zu Hause mit Freunden noch weitergefeiert haben soll. Dabei habe er aus lauter Übermut und wohl auch unter Alkoholeinfluss nach verlorener Wette sich seiner Kleider entledigt und sei bei eisig kalten Temperaturen durch Hof und Garten des Hauses gerannt. Dies alles dürfte seinem Immunsystem so arg zugesetzt haben, dass er sich – wohl an einer der folgenden Ballveranstaltungen – mit der Typhus-Salmonelle infizierte. 

planet-vienna, Lanners Sterbehaus in Doebling
Lanners Sterbehaus in Döbling

Am 21. März 1843 trat Lanner vermutlich zum letzen Mal öffentlich auf – an einer Soirée in Dommayer’s Casino. Seine Krankheit war zu diesem Zeitpunkt bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Das Konzert musste abgebrochen werden. Zwei Tage später lag Lanner mit hohem Fieber im Bett. Sein Zustand verschlechterte sich rapide. Seinen Geburtstag verbrachte Lanner wohl bereits im Todeskampf. Es gingen Gerüchte in der Stadt um, dass Lanner gestorben sei. Als Folge davon erschien am 30. März in den Sonntagsblättern eine falsche Todesnachricht – wenige Tage später sollte sie sich jedoch bewahrheiten: Joseph Lanner verstarb am Karfreitag, 14. April 1843, um 12.30 Uhr in seinem Haus beim „Währingerspitz“ in Oberdöbling nach einer akuten Lungenlähmung. In einem Zimmer wurde sein Leichnam aufgebahrt, die Fenster waren schwarz verhüllt. 

Joseph Lanners Tod rief beim Wiener Volk Bestürzung und eine grosse kollektive Trauer hervor. An seinem Begräbnis am Ostersonntag, 16. April, sollen rund 30’000 Menschen teilgenommen haben. Nachdem sich um 17 Uhr die Gesellschaft vor seinem Haus eingefunden hatte, bewegte sich der Trauerzug durch die damalige Neugasse und die Herrengasse zur Döblinger Pfarrkirche. Dem von der Bürgermiliz getragenen und mit Lanners Uniform, Hut und Degen geschmückten Sarg voraus schritten die Schuljugend und die Kapelle des ersten Bürgerregiments, geleitet von Johann Strauss. Hinter dem Sarg folgten Lanners Witwe und seine Kinder August und Katti. Ihnen schloss sich eine lange Reihe von uniformierten Unteroffizieren an und schliesslich Lanners Orchester – ohne Instrumente. In den Strassen fanden sich riesige Menschenmengen ein, was das Vorwärtskommen des Leichenzuges erheblich erschwerte. Um 19 Uhr erreichte der Trauerzug endlich den ehemaligen Döblinger Ortsfriedhof, wo zahlreiche junge Mädchen Frühlingsblumen in Lanners Grab warfen, ehe sein Leichnam darin beigesetzt wurde. 

Die alte Wiener Zeitung „Der Wanderer“ veröffentlichte einen ausführlichen Nekrolog, in welchem Lanner geehrt und gleichzeitig an auswärtige Zeitungen appelliert wurde, sie mögen von allfälligen schlechten Nachrufen absehen. Das Schlusswort des Nekrologes lautet wörtlich: „Wie viele heitere Stunden hätte uns noch Lanner verschaffen können! Möge ihm die Erde so leicht, als den lebensfrohen Wienern sein Verlust schwer werden.“ Heute liegen seine sterblichen Überreste in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof, wohin sie am 13. Juni 1904 umgebettet worden sind.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Grab Lanners auf dem Zentralfriedhof
Grab Lanners auf dem Zentralfriedhof

In Lanners Todesanzeige erschien der folgende Satz: „Franziska Lanner, geb. Johns (nicht etwa Jahns, Anm.), gibt hiermit in ihrem und im Namen ihrer drei unmündigen Kinder als Katharina, August und Franziska, sämtliche geborene Lanner, Nachricht von dem sie höchstbetrübenden Hinscheiden ihres innigstgeliebten Gatten und resp. Vaters, Herrn Joseph Lanner…“ Dies rief Aufsehen und Bestürzung hervor, denn mit dem Zusatz „geborene Lanner“ wollte sie ihrem ehemaligen Gatten womöglich eine posthume Lektion erteilen, welche Lanners spätere Partnerin Marie Kraus treffen sollte. Die Aussage gibt Anlass zur Vermutung, das noch weitere Kinder existierten, deren Vater Joseph Lanner war und die aus anderen Beziehungen und Liebschaften stammen. Ein Testament hat Lanner nie verfasst. 

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Tafel an Lanners altem Grabstein in Döbling
Tafel an Lanners altem Grabstein in Döbling

Seine Witwe – die Ehe hat offiziell ja noch bestanden – und die Kinder erbten ein stattliches Vermögen. Es folgte nach Lanners Tod ein Rechtsstreit zwischen den Verlegern und ein jahrelanger Zank um sein materielles Erbe. Selbst nach seinem Ableben kursierten noch üble Gerüchte, welche von angefeindeten Personen ausgingen. So wurde erzählt, dass Lanner an einer Alkoholvergiftung gestorben sei. Diese boshafte Behauptung wurde so festgestampft, dass sogar in einem deutschen Literaturwerk, welches sich mit Lanner beschäftigte, zu lesen war, Lanner sei an „Säuferwahnsinn“ gestorben.

Nach Lanners Tod lag noch lange eine düstere Stimmung über der Walzerstadt. Auch Strauss lebte nach dem Verlust seines langjährigen Freundes noch geraume Zeit in Trauer. Zahlreiche Lieder und Sonette entstanden zu Ehren Lanners, was die Ausmasse seiner Beliebtheit erst recht zutage brachte. Lanners Nachkommen leben heute in Dänemark.

Person und Werk

Es belegen Zeitgenossen und auch Violinstimmen, die Lanner für sich selber geschrieben hat, dass er seinem Nebenbuhler Strauss, welcher in seinem Orchester nicht einmal die erste Violine spielte, musikalisch überlegen war. Die Strauss’schen Kompositionen lockten zwar eher zum Tanze als die Lanner’schen, letztere aber vermochten mehr in die Herzen der Zuhörer zu dringen. Die leichten, beschwingten und verspielten Melodien mit sanften Zwischentönen, oft Hand in Hand einhergehend mit berührender Melancholie und dann wieder humorvollen Passagen prägten Lanners Art zu komponieren. In der Zeit nach Lanner war Josef Strauss derjenige, dessen Schaffen der Musik Lanners am nächsten stand. Der Biedermeier-Komponist Lanner stand zeitlich gewissermassen zwischen der Mozartklassik und der Wiener U-Musik. Viele seiner Werke beinhalten Elemente, wie Mozart sie verwendete. Passenderweise kommen diese insbesondere in seinem Walzer „Die Mozartisten“ zum Ausdruck. Lanner verehrte Mozart sehr.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Lanner im Schönbrunner Schlosspark
Lanner im Schönbrunner Schlosspark

Joseph Lanner gilt als der Vater und Begründer des Wiener Walzers, welcher aus dem Ländler hervorgegangen war, wovon es im Werkverzeichnis Lanners zahlreiche gibt. Bei ihm tauchte erstmals die typische Form des Walzers auf: eine Einleitung, fünf Walzersequenzen und eine Coda. Allein deshalb wird Joseph Lanner eine besondere Stellung in der Musikgeschichte zuteil. Unverständlich deshalb die Tatsache, dass er lange Zeit fast in Vergessenheit geriet. Es fällt auf, dass Lanners frühen Walzerkompositionen im Vergleich zu seinen späteren stilistisch noch sehr nahe bei den Ländlern respektive „Deutschen“ stehen. Im Prinzip waren es fast noch reine Ländler mit dem Unterschied, dass sie einen grösseren Figurenreichtum haben und kühnere Tonartenwechsel aufweisen. Stellt man die frühen Walzer den späten gegenüber, so wird erst richtig deutlich, wie Joseph Lanner den Walzer weiterentwickelt hat. Als Beispiel sei hier der Terpsichoren-Walzer Op.12 genannt, welcher als erste Komposition eine Introduktion hatte. Die Gebrüder Schrammel waren die ersten, welche nach Lanners Tod dessen Musik in ihr Repertoire aufnahmen.

Es gab einige Zeitgenossen, die Lanner Konkurrenz zu machen drohten. Darunter etwa Joseph Wilde, die Gebrüder Drahanek, Franz Morelli und Philipp Fahrbach Sen. Aber keiner jagte ihm den Titel als „Begründer des Wiener Walzers“ ab. Hingegen alleine hätte Lanner mit Johann Strauss zusammen niemals das Bedürfnis der Bevölkerung nach Tanzmusik befriedigen können, zumal in den Jahrzehnten nach dem Wiener Kongress von 1814/15 zahllose Tanzlokale und Ballhäuser in Wien entstanden.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Gedenk-Karte
Gedenk-Karte

Die Namensgebungen von Lanners Kompositionen sind sehr phantasievoll und bezogen sich meist auf aktuelle Vorkommnisse und Begebenheiten der damaligen Zeit, sei es eine Kaiserkrönung, die Aktivität einer Dampfmaschine, eine Himmelserscheinung oder das Treiben an einem bestimmten Platz. Dies wird ersichtlich in Werken wie „Die Schönbrunner“, Krönungswalzer“, „Die Kosenden“, „Abendsterne“, „Hofballtänze“, „Dampfwalzer“, „Die Schmetterlinge“… Die religiös bedingten, zeitlich begrenzten Tanzverbote im damaligen Wien trugen ihren Teil dazu bei, dass sich konzertantische Walzerkompositionen etablieren konnten, so wie sie Lanner vielfach geschrieben hat. 

Man führte diese Werke mit ihrem nicht selten anspruchsvollen musikalischen Inhalt im Rahmen eines Konzerts vor. So lernte das Publikum, die Musik auch mit den Ohren zu schätzen und nicht nur mit den Beinen. Die Fortsetzung dieser Form fand sich später beispielsweise in den grossen Konzertwalzern der Strauss-Söhne wieder. Prägend für Lanners frühe Kompositionen waren unter anderem die italienischen Meister des Belcanto wie Bellini, Rossini, Donizetti, aber auch Auber oder Adam. Adaptionen machte Lanner sogar vom Teufelsgeiger Paganini, was sein grossartiges Können auf dem Instrument unterstreichen soll.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; briefmarke

Zur damaligen Zeit waren Potpourris (Zusammenstellung einer Folge beliebter Melodien) und Quodlibets (mehrere textierte Melodien, die unter Beachtung des Kontrapunktes aneinander gereiht sind) sehr beliebt. Diese setzte Lanner in Szene und liess sie in pantomimischer Form aufführen. Selber erfand er Texte dazu und brachte neuartige Instrumente ein, um einen passenden Geräuscheffekt hervorzurufen. Am Rande der Partitur vermerkte er jeweils genau, wie das jeweilige Spezialinstrument zu bedienen und einzusetzen sei. Seine Bühnenstücke waren wohl sehr beliebt, konnten aber keinen nachhaltigen Erfolg erzielen. Einen grösseren Teil seiner Kompositionen beschrieb Lanner selbst als „nicht zum Tanze geeignet“. Zeugenaussagen zufolge war das Publikum tatsächlich weniger mit dem Tanzen beschäftigt als mit dem aufmerksamen Zuhören. Lanner schrieb insgesamt über 250 Werke, davon hauptsächlich Walzer, Ländler und Galoppe. Lange nach seinem Tod arrangierte Emil Stern ferner die Operette ‚Alt-Wien‚, zu welcher ausschliesslich Lanner-Musik verwendet wurde.

planet-vienna, der komponist joseph lanner; nachruf
Nachruf Für Joseph Lanner (Zur Verfügung gestellt aus Privatbesitz von Walter Knickrehm, Hamburg)

Wie bereits erwähnt, blieb der Nachwelt wenig über den grossen Virtuosen erhalten. Es existieren – abgesehen von mehreren mündlich überlieferten Fakten und Schilderungen von Personen, die Joseph Lanner gekannt hatten – ein Brief an seinen Verleger Mechetti, welcher zwischen Lanner und seiner Frau, die ihn verlassen hatte, vermittelte, und ein zweiter Brief an seinen Freund und Rivalen Johann Strauss. Ein grosser Schritt in der Lanner-Forschung gelang durch die Wiederentdeckung der verschollen geglaubten Lanner-Sammlung von Ludwig Wegmann, der diese nach dem Tod des Komponisten eingerichtet hat. Darunter befinden sich einige Portraits, Programmhefte, Zeitungsausschnitte, ein Knopfloch von Lanners Jackett und ein Nagel von seinem Sarg. Ganz besonders wertvoll sind die erhaltene Violine mit Bogen Lanners und zwei Pauken aus seinem Orchester.

planet-vienna, Vincenz Sitter, der letzte Ueberlebende der einstigen Lanner-Kapelle, in seiner Wohnung in Mailberg
1901: Vincenz Sitter, letztes noch lebendes Mitglied der einstigen Lanner-Kapelle, in seiner Wohnung in Mailberg

Aus dem wieder gefundenen Erbe ging hervor, dass Lanner eine Lehre als Graveur absolviert hat an der Akademie der bildenden Künste. Sein Leben aber war der Musik gewidmet. Das Ausserordentliche an Lanners Karriere ist – wie ebenfalls wiederholt erwähnt –, dass er sich die Musik selbständig beigebracht hat. Täglich investierte er Stunden, die Komposition und das Musizieren zu erlernen und dirigierte unermüdlich Konzerte, teils mehrmals am Tag. Philipp Fahrbach beschrieb Joseph Lanner einst wie folgt: Er soll ein schlichter, ehrlicher, treuherziger, liebenswürdiger, bescheidener, genügsamer, zuvorkommender und sentimentaler Mensch biederer Natur mit weichem Gemüt gewesen sein. Die Armut anderer, getäuschte Hoffnungen und falsche Freunde bescherten ihm stets Tränen. Lanner sei von mittlerer Statur mit breiten Schultern, sonst jedoch eher geschmeidig gewesen.

Er sei stets sorgfältig rasiert gewesen und habe das Haar eher kurz als lang getragen. Mit nachlässigem Gang und Tabakpfeife im Mund habe man Lanner oft auf der Strasse gesehen. Er war leidenschaftlicher Tabakpfeifensammler und besass ein grosses Sortiment an wertvollen Exemplaren. Lanners Bewegungen seien anmutig und wiegend gewesen, seine Gebärden freundlich und wohlwollend.

Wenn Lanner nachdachte, habe er immer mit seinem Zeigefinger an die Nasenspitze getippt. Er soll viel Humor besessen und gerne Witziges erzählt haben, worüber er darauf selber herzhaft lachen musste, auch wenn die Scherze manchmal etwas derb waren. Auch seinen Musikern gegenüber soll er ein herzensguter Mensch gewesen sein, der gelegentlich allerdings „saugrob“ werden konnte, wenn es im Orchester an Disziplin mangelte oder Missgriffe passierten. 

planet-vienna, der komponist joseph lanner; Gedenktafel in Döbling, wo das Sterbehaus Lanners stand
Gedenktafel in Döbling, wo das Sterbehaus Lanners stand

Lanner soll auf der anderen Seite auch ein rastloser Mensch gewesen sein, vielleicht jähzornig und alkoholsüchtig. Er soll regelmässig Unmengen von Wein gekippt haben in seinem Stammbeisel „Zur Glocke“ in der Dreihufeisengasse (heute Lehárgasse). Dabei habe er nie gemerkt, dass er allmählich einen gehörigen Schwips kriegt, denn er habe sehr viel Alkohol vertragen. Angeblich hätte Lanner nie so erfolgreiche Werke schreiben können, wenn er dabei nicht stets einen sitzen gehabt hätte…

Das Phänomen Joseph Lanner gilt es, noch weiterhin zu entdecken und zu erforschen, und eine Aufführung und Vertonung seines ganzen Schaffens wäre eine lohnenswerte Investition. Bis es soweit ist, müssen wir uns mit den bislang aufgeführten Kompositionen von ihm begnügen.

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Blonder Lanner, Liebling der Frauen,

Der du den ersten Walzer erdacht, 

Führtest im Jubel schluchzender Geigen

Unsere Eltern zum fröhlichen Reigen,

Hast ihre Herzen lachen gemacht.

Gleissende, lichtdurchflutete Säle…

„Werber“, die ihre zum Tanze ruft –

Walzeranmut in wiegender Ruhe,

Unter Frack und Kreuzbandschuhe

Blassblühblauer Lavendelduft…

Ist auch der Rosen Zauber versunken,

Alt-Wiens seligste Zeit längst dahin:

So von der Liebe wonnigen Nöten

Noch in „Schönbrunn“ die Nachtigall’n flöten,

Bist du bei uns im klingenden Wien. 

(August Ernst Rouland)



Joseph Lanner – Gemälde von Philipp Steidler, um 1840. Lesen Sie mehr über dieses Kunstwerk hier.
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