1. Bezirk, Stephansplatz 3
Das wuchtige Churhaus (Curhaus) am Stephansplatz wurde in den Jahren 1738 bis 1740 nach Plänen von Daniel Christoph Dietrich und Johann Gottfried Pock erbaut. Möglicherweise führte Baumeister Matthias Gerl die letzten Arbeiten am Gebäude aus. An dieser Stelle hatte einst die Bürgerschule St. Stephan sowie die Dombauhütte mit Wohnung des jeweiligen Dombaumeisters gestanden. Die im 13. Jahrhundert gegründete Bürgerschule war im Mittelalter Wiens einzige höhere Ausbildungsstätte, ehe um 1365 die Universität gegründet wurde. Als die Jesuiten im 16. Jahrhundert die Schule übernahmen, siedelten sie damit um. Später wurden die Räume der ehemaligen Bürgerschule von der Diözese Wien genutzt.
Durch den Bau des auf drei Seiten freistehenden Churhauses, in dem die Seelsorgegeistlichkeit von St. Stephan untergebracht sein sollte, veränderte sich das Ortsbild südlich des Stephansdomes frappant. Das Gässchen, welches einst vom Stock-im-Eisen-Platz – ehemals Rossmarkt – zum Stephansfriedhof führte, verschwand aus dem Stadtbild. Um 1742 wurde im Churhaus die Maria-Vermählungs-Kapelle eingerichtet, welche bald grosse Popularität genoss bei wohlsituierten Wiener Brautleuten. Ab 1759 war das Churhaus zudem Sitz des erzbischöflichen Alumnats, das um 1914 in den Alsergrund übersiedelte.
Um 1806 versah Baumeister Louis Montoyer das Churhaus mit einem vierten Geschoss. Diesem Eingriff fielen die einstigen Giebelelemente sowie die Kapitelle der Pilastergliederung zum Opfer. Im Rahmen der so genannten „Rosenkranz-Demonstration“ stürmten am 8. Oktober 1938 Mitglieder der Hitlerjugend das Churhaus und warfen Domkurat Johannes Krawarik aus dem Fenster in den Innenhof. Er brach sich dabei beide Beine. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges erlitt das Churhaus Schäden, die um 1948 unter der Leitung von Architekt und Denkmalpfleger Hans Petermair behoben wurden.
Die ausserordentlich grossflächige Hauptfassade mit 15 Fensterachsen zum Stephansplatz hin wird mittig von einem leicht hervortretenden Mittelrisalit sowie noch flacheren Eckrisaliten gegliedert. Ein Blickfang sind die beiden Portale mit originalen Holztüren und je zwei allegorischen Figuren auf Postamenten. Wahrscheinlich zeigen die die vier theologischen Disziplinen.
Im Inneren des Churhauses sind neben der Maria-Vermählungs-Kapelle insbesondere der Bibliotheksraum im zweiten und der Lesesaal im vierten Obergeschoss zu erwähnen. Letzterer birgt ein barockes Gemälde von Martino Altomonte mit der Enthauptung der hl. Katharina. Dompredigerportärts ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert sowie flämische Tapisserien aus dem 17. Jahrhundert sind weitere kostbare Ausstattungselemente des Lesesaals. Im Dachstuhl haben sich Teile aus der Erbauungszeit erhalten.