15. Bezirk, Goldschlagstrasse 6

Fern jeglicher Touristenachsen im 15. Bezirk und in der Nähe der „unfeineren“ Zeilen wie dem Neubaugürtel oder der Felberstrasse liegt ein Kaffeehaus mit besonderem Hintergrund. Es ist nicht einfach ein Kaffeehaus, es ist Teil eines grossen Familienunternehmens, zu welchem neben dem (Billard-)Café eine Billardschule, ein Billardmuseum mit Billardarchiv, ein Fachzeitschriftverlag und eine Billardtisch-Manufaktur gehören.

1964 gründete Weingartner einen Fachhandel für Billardsport, 1966 eröffnete er seinen Verlag für die Fachzeitschrift „Billard“, und 1969 schliesslich hob Weingartner seine Manufaktur für Billardtische sowie das Billard-Café aus der Taufe. Wo letzteres liegt, hatte bereits seit dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderterbauten Haus ein Café-Betrieb existiert. Heinrich Weingartner übernahm also das grosse Ecklokal und machte daraus das Kaffeehaus Weingartner. Viele Teile des Interieurs sind aus der Gründerzeit erhalten geblieben und schmeicheln dem Auge. Darunter der traditionelle Fischgrät-Parkett, die hüfthohe Wandvertäfelung oder die Stuckleisten an der Decke. Es wundert nicht, dass der Hausherr dem Billardspiel deutlich mehr Platz einräumt als dem reinen Kaffeehausbetrieb. Der Hauptteil des Lokals wird von drei grossen Tourniertischen eingenommen, die Wände sind gesäumt von Thonet-Stühlen und einigen Marmortischchen für die Anhänger des Sports.

Im wesentlich kleineren Teil auf Seite Löhrgasse finden sich einige lauschige Sitznischen und ein reich bestückter Zeitschriftentisch. Hier in diesem eher bieder, aber klassisch eingerichteten Winkel geht es meist recht ruhig und beschaulich zu und her. Serviert wird alles, was ein typisches Wiener Kaffeehaus auf der Karte so führt – die Speisekarte mag dabei etwas reduzierter sein als in anderen Cafés. Preislich liegt fast alles unter dem Durchschnitt. Naturgemäss ist das Klacken der Queues und Kugeln das Standardgeräusch im Café Weingartner. Wer sich mit den Meistern hier messen will, der kann sich vorher in der Weingartner’schen Bilardschule diagonal gegenüber auf der anderen Seite der Kreuzung die nötigen Fertigkeiten aneignen.

Herr über dieses Billardimperium ist Heinrich Weingartner (*1939), einstmals Präsident des österreichischen Billard-Verbandes. Weingartner war bereits als Kind mit dem Kaffeehausbetrieb in Berührung gekommen – seine Eltern führten das ehemalige Café Niebauer in der Leopoldstadt, wo er sich als Schuljunge oft aufhielt und seine Hausaufgaben erledigte, vornehmlich unmittelbar bei den Billardtischen. Mit seinem Vater besuchte Heinrich Weingartner regelmässig andere Billard-Kaffeehäuser und kam allmählich so richtig auf den Geschmack, legte ein Talent für diesen Sport zutage und erhielt Unterricht. Als junger Mann war er schliesslich fix in der Wiener Billardszene verankert und räumte im Laufe der Jahre zahlreiche nationale und internationale Preise ab.