16. Bezirk, Ottakringerstrasse 117

1905 eröffnete Wilhelm Ritter im typischen Vorstadthaus an der Ecke Lambertgasse / Ottakringerstrasse ein erstes Kaffeehaus, das anfangs den Namen „Merkur“ trug und wenig später in Café Ritter umbenannt wurde (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kaffeehaus an der Mariahilfer Strasse). Seit der Gründungszeit war das Kaffeehaus Stammlokal von Vereinen, Spielern und uriger Vorstadtmenschen. Seit 1936 hat hier der „Erste Ottakringer Billardclub“ seine Stammspielstätte. Später entdeckten zahlreiche weitere Vereine das Kaffeehaus für sich, und man versammelte sich in den historistischen Räumen.

Am Ende des 20. Jahrhundert dümpelte das Ritter vor sich hin. Dem Kaffeehaus schien der Atem auszugehen, und vom wahren Ambiente war kaum mehr etwas zu spüren, zumal vieles von der spektakulären Originalausstattung verdeckt war. Doch seit der ursprüngliche Zustand weitgehend wieder hergestellt ist, herrscht hier wieder Flair – und zwar mehr denn je. Das Café Ritter in Ottakring gehört mit Abstand zu den schönsten Kaffeehäusern in ganz Wien und Umgebung. Ende 2016 ist das Kaffeehaus sanft renoviert worden, nachdem es von einer neuen Besitzerin übernommen worden war.

„Kaffeepalast“ wäre die treffendere Bezeichnung. Reicher Stuck ziert den Deckenrand, die Fensterzwickel und die Wände. Drei grosse Wandgemälde und weitere Malereien am oberen Teil der Kopfwand geben dem Raum das Flair des Repräsentationssals eines Adelspalais. Grüne Vorhänge mit Fransenborten zieren die Bögen der hohen Fenster. Vornehme Samtbezüge der Bänke sowie ein alter Fischgrätparkett tragen das Ihrige zur Authentizität bei. Im ganzen Café hängen Messing-Kugelluster im Jugendstil – an den Wänden Leuchten im selben Stil. Im hinteren Raum stehen alte, perfekt instand gehaltene Billardtische, die rege bespielt werden. Dieser Raum ist mit kostbaren Wandvertäfelungen ausgekleidet.

Im Ritter trifft man auf echtes, unverfälschtes Wiener Vorstadtleben. Es treffen sich hier viele ältere Herren aus der Umgebung zum Lautstarken Kartenspiel. Keinen stört’s, wenn hinter der Theke der grantelnde Ober sich mit einer Kollegin laut streitet, denn auch in der Herrenrunde wird’s gelegentlich mal laut. Irgendwie ist die Welt hier einfach in Ordnung. Wer einmal richtiges Wiener Vorstadtambiente erleben will, geht hierhin. Man muss damit rechnen, dass man von der Bedienung gleich mal bis zu einer Viertelstunde ignoriert wird, bis etwas passiert. Aber das tut der Faszination dieses prächtigen Cafés keinen Abbruch. Hier geht eben alles langsamer vor sich. Das Essen ist mittelmässig, aber ganz akzeptabel und preiswert. Man kriegt hier eine recht gute Auswahl an Frühstück zu ebenfalls sehr guten Preisen – der Vorstadt-Arbeiterschicht angepasst. Hier findet man garantiert keine Touristen. Darum lohnt sich die Fahrt mit der Strassenbahn nach Ottakring ganz besonders, um hier mal so richtig am unverfälschten Wiener Aussenbezirksleben teilzunehmen.
Literaten und andere Künstler haben das Ritter in Ottakring nie zu ihrem Stammcafé gewählt. Es liegt einfach zu weit ausserhalb des Zentrums. Doch die Fussballlegende Ernst Happel verweilte hier regelmässig beim Kaffee, und gelegentlich schaut sogar der Bürgermeister Michael Häupl vorbei.

