1. Bezirk, Ballhausplatz 2

Das heutige Bundeskanzleramt, dessen Schauseite zum Ballhausplatz zeigt, zählt zu den grössten ursprünglich barocken Bauwerken der Innenstadt. Der Gebäudekomplex wurde zwischen 1717 und 1721 von Johann Lucas von Hildebrandt als „Geheime Hof- und Staatskanzlei“ errichtet. Auf diesem Gelände hatten zuvor die Bäckerei, die Meierei und das Provinzialhaus des angrenzenden Minoritenklosters gestanden. Von 1752 bis 1792 leitete Staatskanzler Wenzel Anton Fürst Kaunitz von hier aus die Geschicke des Landes. 1764 gestaltete Nikolaus Pacassi das Innere des Gebäudes neu.
Während des Wiener Kongresses 1814/15 war die Staatskanzlei ein bedeutender Schauplatz internationaler Diplomatie. Ab 1809 bis zur Revolution 1848 lenkte Klaus Wenzel Lothar Fürst von Metternich von hier aus die Außenpolitik Österreichs. Eine spätklassizistische Umgestaltung erfolgte zwischen 1821 und 1826.

In den 1880er-Jahren wurde nach Plänen des Architekten Ludwig Zettl an der Löwelstrasse ein neobarocker Flügel hinzugefügt. Um 1900 erhielt das Bundeskanzleramt einen weiteren Anbau an der Rückseite zum Minoritenkloster hin, in dem das Haus-, Hof- und Staatsarchiv untergebracht wurde. Ab 1919 diente das Gebäude als Sitz des Bundespräsidenten und des Aussenministers, ab 1922 auch des Bundeskanzlers. 1934 wurde Bundeskanzler Engelbert Dollfuss im Marmorecksalon von nationalsozialistischen Putschisten ermordet.
Ab 1940 war das Gebäude Sitz der Gauleitung in Wien. Kurz vor Kriegsende richteten Bombenangriffe schwere Schäden am Bundeskanzleramt an. Diese wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit unter der Leitung von Oswald Haerdtl und Robert Obsieger behoben. Die beiden Architekten zeichneten zugleich für die Neugestaltung der Räume des Bundeskanzlers verantwortlich. Von 1985 bis 1996 erfolgte eine umfassende Innen- wie Aussenrenovierung des Gebäudes.

Das Bundeskanzleramt vereint äusserlich barocke und klassizistische Stilelemente. Die Hauptfassade am Ballhausplatz ist weitgehend in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild erhalten. Besonders hervorzuheben sind die schmiedeeisernen Gitter an den Fenstern des gebänderten Sockelgeschosses. Der flache Mittelrisalit wird von korinthischen Riesenpilastern und drei grossen Rundbogenfenstern bestimmt. Der Attikabereich weist in der Mitte ein Ochsenaugenfenster auf. Zentraler Blickfang ist der konvexe Balkon mit Balustrade über dem mittleren Rundbogenportal. Die Seitenfassaden und die späteren Anbauten folgen einer harmonischen Gliederung und Gestaltung.
Im Inneren sind zahlreiche Räume mit bemerkenswerter Ausstattung erhalten geblieben, darunter der Steinsaal, der Kongresssaal, der graue Ecksalon, der grosse und der kleine Ministerratssaal, der Marmorecksalon, das Sekretariat, das Arbeitszimmer des Bundeskanzlers und die Hauskapelle. Diese ist dem heiligen Nepomuk geweiht und birgt einen aussergewöhnlichen fragmentierten Altar, der vermutlich aus dem Umfeld des Barockarchitekten und Bildhauers Matthias Steinl stammt.
