1. Bezirk
Das Blutgassenviertel, in unmittelbarer Nähe zum Stephansdom gelegen, gehört zu den historisch besonders aufgeladenen Orten Wiens. Die Blutgasse selbst verbindet die Singerstrasse mit der Domgasse. In diese mündet sie gegenüber des Figarohauses, in dem Mozart einen Teil seines Lebens verbrachte und viele seiner bedeutendsten Werke schuf. Die Gasse wird von hohen Gebäuden gesäumt, zu den ältesten der Stadt zählen – zumindest ihre Fundamente, sie reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Das Viertel umfasst sieben Altbaukomplexe, unter ihnen den Fähnrichshof (Häuser 3-9).
Von der Domgasse aus gesehen führt etwa auf halber Strecke zur Singerstrasse ein Durchgang auf der linken Seite zu architektonisch bemerkenswerten Innenhöfen. Diese zeichnen sich durch romantische Laubengänge, Treppen, Balkone und Durchgänge mit viel Grün aus. Der Besucher gelangt auf verschlungenen Pfaden zur Singerstrasse oder zur parallel verlaufenden Grünangergasse. Mehrere kleine Künstlerateliers prägen das verwinkelte Blutgassenviertel.
Die Hintergründe des Namens „Blutgasse“ sind historisch nicht belegt, es ranken sich mehrere Legenden um die Ursprünge. Eine von ihnen besagt, dass hier im Mittelalter Schlachträume gewesen seien, deren Blut durch Rinnen in die Gasse abfloss. Eine andere erzählt, dass im Fähnrichshof im Jahr 1312 während der Auflösung des französischen Templerordens zahlreiche Mitglieder so gewaltsam niedergemetzelt worden seien, dass ihr Blut in Bächen durch die Gasse floss. Diese Geschichten gelten heute als widerlegt. Der Name „Blutgasse“ taucht erstmals 1550 als „Plutgessel“ auf, davor war sie als „Kothgässel“ bekannt.
Im Mittelalter dienten die Innenhöfe der Häuser als Aborte, die über bis zu acht Meter tiefe Gruben verfügten. Mehrere solcher Gruben wurden nebeneinander angelegt, um sie nacheinander zu nutzen, während die anderen geleert wurden. Punktuell gab es hier auch sogenannte Toilettenerker an den Hauswänden, aus denen die Exkremente direkt auf die Strasse oder in den Garten fielen.
Zusätzlich existierten Latrinen, bei denen die Abwässer durch Röhren in unterirdische Kästen geleitet wurden. Diese Kästen wurden in der Regel einmal jährlich geleert, eine Aufgabe, die oft „unehrlichen Mitgliedern“ der Gesellschaft übertragen wurde. Diese mussten den Inhalt in nahegelegenen Bächen entsorgen.